Urteile Arbeitsrecht



Urteil: Heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz - Schadensersatz?

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10.11.2015 - 6 Sa 301/14

Kann man den Mindestlohn umgehen, indem Urlaubs- und Weihnachtsgeld darauf angerechnet wird? Nicht unbedingt, entschied das BAG. Auf den Zweck der Zahlungen komme es an.


Der Fall

Ein ehemaliger Mitarbeiter hatte die Zahlung Schadensersatz verlangt, weil er und weitere Mitarbeiter während der Arbeitszeit über zwei Monate lang täglich per Video überwacht worden seien.

Der Arbeitgeber erklärte, die Videoüberwachung fand nur zu Zeiten statt, zu denen sich die Mitarbeiter in den Produktionsräumen nicht aufhalten durften, nämlich während den Pausen und nach Dienstschluss. Grund dafür wären Sabotageakte gewesen. Der Arbeitgeber entschloss sich daraufhin, die Videoüberwachung einzuführen, ohne allerdings die Mitarbeiter hierüber zu informieren.


Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt entschied, dass dem Kläger ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aufgrund einer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts seitens der Beklagten nicht zusteht und wies die Klage ab.


Die Gründe

Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion bleiben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde.

Die Besonderheit dieses Falles liegt darin, dass der Arbeitgeber eigentlich gegen das Datenschutzgesetz (§ 32 BDSG) verstoßen hat. Es dürfen nur dann Daten erhoben werden, wenn Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass ein Betroffener im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat und die Datenerhebung zur Aufdeckung erforderlich und nach Art und Ausmaß nicht unverhältnismäßig ist.

Bei Abwägung der Gesamtumstände erschien dem Gericht aber der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters nicht als ausreichend schwerwiegend, um einen Entschädigungsanspruch in Geld auszulösen. Der Grund: Die Überwachung hat sich auf einen relativ kurzen Zeitraum des Arbeitsverhältnisses bezogen. Weiter beschränkte sich die Videoüberwachung auf den gesamten Produktionsbereich. Der Mitarbeiter stand mithin nicht im Focus der Beobachtung.


Fazit

Aufgrund der vorangegangenen Sabotageakte herrschte eine gesteigerte Aufmerksamkeit im Produktionsablauf vor und die Mitarbeiter wurden ohnehin durch den Vorarbeiter überwacht. Aus den vorgelegten Kundenbeschwerden ist zu entnehmen, dass die beiden Vorfälle zu einer Gefährdung der jeweiligen Vertragsbeziehung geführt hätten. Die Überwachung eines gesamten Produktionsbereiches war daher nicht unverhältnismäßig.

Lesen Sie hierzu auch den Artikel „Mitarbeiterüberwachung: Darf der Chef den Browserverlauf auswerten?“.

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.


Zur Einsicht bitte entsprechendes Urteil aus der Liste unten wählen!



"Die Artikel stellen keine Beratung der Kanzlei Dingeldein Rechtsanwälte dar und wir übernehmen keine Haftung für den Inhalt. Die Artikel dienen lediglich der Orientierung und können allenfalls der Verschaffung eines ersten Eindrucks der allgemeinen Rechtslage unter Vorbehalt dienen. Eine Anwendung auf einen konkreten Fall ist nicht ohne weiteres möglich, denn jeder Einzelfall hängt von einer Vielzahl von Faktoren, Fragestellungen und nicht zuletzt von der Ermittlung und Darstellung der zugrunde liegenden Tatsachen, z.B. durch geeignete Beweiserhebung und -auswertung, ab. Wir empfehlen auf jeden Fall, das persönliche Gespräch mit unserer Kanzlei zu suchen. Gerne können Sie mit uns einen Termin vereinbaren, um zu erfahren, wie ein konkreter Einzelfall vor dem Hintergrund unserer Artikel zu werten sein kann."



Urteile im Arbeitsrecht:




04/2020 - Duales Studium - wann das BBiG gilt

07/2017 - Vorsicht: kein Durchbruch für Freelancer/freie Mitarbeiter durch BSG-Urteil

01/2017 - Schlechte Karten für Scheinbewerber!

01/2017 - Lohnzahlung: Arbeitgeber muss bei Verspätung Pauschale zahlen

01/2017 - Betriebsrente: Keine Hinweispflicht des Arbeitgebers

10/2016 - Kündigung per E-Mail?!

10/2016 - Arbeitsvertrag: Ausschlussklausel seit Oktober unwirksam

10/2016 - Bonuszahlung "auf Null" reduzieren unbillig!

09/2016 - Emojis als Kündigungsgrund

08/2016 - Kurzfristig Urlaub erschleichen?

08/2016 - Wie privat ist der Terminkalender am Arbeitsplatz?

08/2016 - Sachgrundlose Befristung - Rechtsmissbrauch?

08/2016 - Nachtschicht schieben - Zuschlag kriegen!

08/2016 - Wirksame Kündigung trotz Krankheit?

08/2016 - Fristlose Kündigung wegen privater Internetnutzung?

06/2016 - Länger zurückliegende sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als Kündigungsgrund

06/2016 - Unterzeichnung "im Auftrag" sollte vermieden werden

06/2016 - Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot bei altersbedingter Kündigung

06/2016 - Kein Praktikumsvertrag über fünf Jahre

06/2016 - Einfach kündigen, weil Mitarbeiter ihren Kollegen nicht leiden können?

06/2016 - Urteil: Heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz - Schadensersatz?

06/2016 - Urlaub nach Mutterschutz und Elternzeit - aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

06/2016 - Jobcenter darf Trinkgeld nicht dem Einkommen anrechnen

06/2016 - Kein Präventionsverfahren in der Probezeit

05/2016 - Tricksereien beim Mindestlohn: Anrechnung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes

05/2016 - Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz?

05/2016 - Kündigung wegen Inanspruchnahme von Elternzeit?

05/2016 - Frauen dürfen nicht weniger Lohn als die männlichen Kollegen bekommen

04/2016 - Anforderung "Deutsch als Muttersprache" in einer Stellenanzeige

04/2016 - Keine wirksame Abmahnung wegen 13 Minuten Verspätung

04/2016 - Eine Kündigung "zum nächst zulässigen Zeitpunkt" ist wirksam

03/2016 - Vorsicht beim Überstundenabbau! Wer krank wird, kann Pech haben.

03/2016 - Abfindung für Alle (1) - Konfliktfrei kündigen: Mitleid als Angriffsfläche

09/2013 - Abgeltung von Mehrarbeitszeit durch Pauschalvergütung

08/2012 - Zuviel des Guten? - Überstunden

06/2012 - Gleichheit nach dem AGG