Urteile Arbeitsrecht



Kurzfristig Urlaub erschleichen?

(Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 14.08.2015 – Az.: 10 Sa 156/15)

Klingt gewitzt, ist aber riskant: Ersucht der Arbeitnehmer kurzfristigen Urlaub, welcher abgelehnt wird, kann er sich nicht einfach krankschreiben lassen. Damit verstößt er gegen die Rücksichtnahmepflicht, die er arbeitsvertraglich gesichert seinem Arbeitgeber entgegenbringen muss. Fraglich ist nun, ob der Arbeitgeber ihm wegen eines solchen Verhaltens auch fristlos kündigen darf.


Die Situation

Ein Arbeitnehmer musste eigentlich um 14 Uhr seine Arbeit antreten, versuchte jedoch morgens per SMS an seinen Vorgesetzten, kurzfristig Urlaub zu beantragen. Nach mehreren Telefonaten lehnte dieser den Urlaub kurz vor 14 Uhr ab, woraufhin der Arbeitnehmer ankündigte, zu einem Arzt zu gehen, um sich krankschreiben zu lassen. Ca. eine halbe Stunde später telefonierte er noch einmal mit dem Vorgesetzten, um sich krankzumelden. Der Vorgesetzte meldete diese Situation seinem Chef, der sodann eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aussprach.

Gründe seitens des Chefs: Der Arbeitnehmer war nie krank und log, um am betroffenen Tag frei zu bekommen.

Sicht des Arbeitnehmers: Er war tatsächlich krank und habe auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am darauffolgenden Tag eingereicht. Er wollte schlichtweg Probleme mit dem Chef vermeiden, da seine Arztpraxis an betroffenem Tag vormittags nicht geöffnet hatte. Deshalb habe er versucht, kurzfristig Urlaub zu bekommen.


Die gerichtliche Entscheidung

Die fristlose Kündigung war wirksam.

Nach eingehender Beweisprüfung entschied das Landesarbeitsgericht Hamm, dem Kläger vorliegend keinen Glauben zu schenken. Ausschlaggebend hierfür war, dass die Arztpraxis vormittags geöffnet und nachmittags geschlossen hatte; der Arbeitnehmer hatte sich schlichtweg erst nach Ablehnung seines Urlaubs um eine Krankmeldung bemüht.


Die rechtliche Begründung

Grundsätzlich gelten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als ausreichenden Beweis für den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers und das entschuldigte Fehlen auf der Arbeit.

Bei Zweifeln kann es jedoch passieren, dass die Ausstellung der AUB hinterfragt wird und erneut gerichtlich Beweis erhoben wird.


Fazit

Stellt sich heraus, dass die AUB nur Mittel zum Zweck ist, kurzfristig Urlaub zu erhalten, ist das Ver-trauensverhältnis eines Arbeitgebers in die Redlichkeit und die Loyalität seines Arbeitnehmers gestört. Das kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.


Zur Einsicht bitte entsprechendes Urteil aus der Liste unten wählen!



"Die Artikel stellen keine Beratung der Kanzlei Dingeldein Rechtsanwälte dar und wir übernehmen keine Haftung für den Inhalt. Die Artikel dienen lediglich der Orientierung und können allenfalls der Verschaffung eines ersten Eindrucks der allgemeinen Rechtslage unter Vorbehalt dienen. Eine Anwendung auf einen konkreten Fall ist nicht ohne weiteres möglich, denn jeder Einzelfall hängt von einer Vielzahl von Faktoren, Fragestellungen und nicht zuletzt von der Ermittlung und Darstellung der zugrunde liegenden Tatsachen, z.B. durch geeignete Beweiserhebung und -auswertung, ab. Wir empfehlen auf jeden Fall, das persönliche Gespräch mit unserer Kanzlei zu suchen. Gerne können Sie mit uns einen Termin vereinbaren, um zu erfahren, wie ein konkreter Einzelfall vor dem Hintergrund unserer Artikel zu werten sein kann."



Urteile im Arbeitsrecht:




04/2020 - Duales Studium - wann das BBiG gilt

07/2017 - Vorsicht: kein Durchbruch für Freelancer/freie Mitarbeiter durch BSG-Urteil

01/2017 - Schlechte Karten für Scheinbewerber!

01/2017 - Lohnzahlung: Arbeitgeber muss bei Verspätung Pauschale zahlen

01/2017 - Betriebsrente: Keine Hinweispflicht des Arbeitgebers

10/2016 - Kündigung per E-Mail?!

10/2016 - Arbeitsvertrag: Ausschlussklausel seit Oktober unwirksam

10/2016 - Bonuszahlung "auf Null" reduzieren unbillig!

09/2016 - Emojis als Kündigungsgrund

08/2016 - Kurzfristig Urlaub erschleichen?

08/2016 - Wie privat ist der Terminkalender am Arbeitsplatz?

08/2016 - Sachgrundlose Befristung - Rechtsmissbrauch?

08/2016 - Nachtschicht schieben - Zuschlag kriegen!

08/2016 - Wirksame Kündigung trotz Krankheit?

08/2016 - Fristlose Kündigung wegen privater Internetnutzung?

06/2016 - Länger zurückliegende sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als Kündigungsgrund

06/2016 - Unterzeichnung "im Auftrag" sollte vermieden werden

06/2016 - Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot bei altersbedingter Kündigung

06/2016 - Kein Praktikumsvertrag über fünf Jahre

06/2016 - Einfach kündigen, weil Mitarbeiter ihren Kollegen nicht leiden können?

06/2016 - Urteil: Heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz - Schadensersatz?

06/2016 - Urlaub nach Mutterschutz und Elternzeit - aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

06/2016 - Jobcenter darf Trinkgeld nicht dem Einkommen anrechnen

06/2016 - Kein Präventionsverfahren in der Probezeit

05/2016 - Tricksereien beim Mindestlohn: Anrechnung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes

05/2016 - Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz?

05/2016 - Kündigung wegen Inanspruchnahme von Elternzeit?

05/2016 - Frauen dürfen nicht weniger Lohn als die männlichen Kollegen bekommen

04/2016 - Anforderung "Deutsch als Muttersprache" in einer Stellenanzeige

04/2016 - Keine wirksame Abmahnung wegen 13 Minuten Verspätung

04/2016 - Eine Kündigung "zum nächst zulässigen Zeitpunkt" ist wirksam

03/2016 - Vorsicht beim Überstundenabbau! Wer krank wird, kann Pech haben.

03/2016 - Abfindung für Alle (1) - Konfliktfrei kündigen: Mitleid als Angriffsfläche

09/2013 - Abgeltung von Mehrarbeitszeit durch Pauschalvergütung

08/2012 - Zuviel des Guten? - Überstunden

06/2012 - Gleichheit nach dem AGG