Die gesetzliche Beweislastumkehr des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) befreit den Arbeitnehmer nicht von jeder Pflicht. Das Vorliegen einer Benachteiligung muss zwar nicht bewiesen, aber es muss ein entsprechendes Indiz genannt werden.
Das OLG Karlsruhe (Az. 17 U 99/10) entschied am 13.9.2011, dass eine Stellenanzeige, welche sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise lediglich an Männer richtete, per se eine geschlechtsbezogene Benachteiligung darstelle. Die gedruckte Stellenanzeige war zugleich das handfeste Indiz für die Benachteiligung, die gesetzliche Beweislastumkehrregelung griff ein. Nun musste der Auftraggeber der Stellenanzeige das Gegenteil beweisen, was hier nicht gelang.
Der EuGH verweigerte einer anderen abgelehnten Bewerberin (Urteil v. 19.4.2012, Az. C-415/10) eine Entschädigung nach dem AGG. Die Bewerberin behauptete schlicht eine Diskriminierung: Die Stellenanzeige war hier geschlechtsneutral verfasst, die Ablehnungsgründe waren unbekannt. Es fehlten somit jegliche Indizien für eine gesetzesrelevante Benachteiligung; die Beweislastumkehrregelung des AGG konnte so nicht greifen. Der EuGH entschied auch, dass den Stellenausschreibenden keine Auskunftspflicht darüber träfe, welcher Bewerber aus welchen Erwägungen heraus vorgezogen worden sei. Dies schütze den vorgezogenen Bewerber vor der Preisgabe seiner Daten und den potentiellen Arbeitgeber vor absoluter Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen.
Mitgeteilt von
RAin Eisenreich-Meißner
Dingeldein • Rechtsanwälte
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