Urteile Arbeitsrecht



Eine Kündigung "zum nächst zulässigen Zeitpunkt" ist wirksam.

Eine hilfsweise ordentlich Kündigung "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" ist nicht zu unbestimmt, entschied das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20.01.2016 (6 AZR 782/14):


Der Trick des Arbeitgebers

Manche außerordentlich und fristlos ausgesprochene Kündigung hat vor Gericht keinen Bestand, weshalb Arbeitgeber sie mit einer vorsorglich oder hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündi-gung verbinden. Diese vorsorgliche Kündigung wird meist "zum nächsten möglichen Termin" erklärt, d.h. es wird nicht klar gesagt, wann sie das Arbeitsverhältnis beenden soll.


Die bisherige rechtliche Situation: Kündigung "zum nächstmöglichen Termin" mit Hinweis auf die gesetzlichen Fristen zulässig

Kündigungserklärungen müssen klar formuliert sein, denn sie wirken rechtsgestaltend auf das Arbeits-verhältnis ein, indem sie es beenden. In diesem Sinne hat sich vor einigen Jahren der Fünfte BAG-Senat geweigert, eine zu einem falschen, nämlich zu frühen Endtermin ausgesprochene Kündigung in eine Kündigung mit richtigem Endtermin bzw. richtiger Kündigungsfrist auszulegen oder umzudeuten (Urteil vom 01.09.2010, 5 AZR 700/09). Den Nachteil hatte im damaligen Fall aber der gekündigte Arbeitnehmer, denn er hatte nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist Kündigungsschutzklage erhoben, so dass die verfrühte Vertragsauflösung Bestand hatte.

In der Folge dieser Entscheidung gingen andere BAG-Senate auf Distanz zum Fünften Senat und betonten, dass eine an den objektiv richtigen Kündigungsfristen orientierte Auslegung oder Umdeu-tung von Kündigungserklärungen in den meisten Fällen richtig ist. So entschied der Sechstes BAG-Senat einige Jahre später, dass eine Kündigung zum "nächstmöglichen Termin" ausreichend be-stimmt bzw. klar ist, wenn sie einen allgemeinen Hinweis auf die gesetzlichen Fristen enthält und "der Erklärungsempfänger hierdurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll" (BAG, Urteil vom 20.06.2013, 6 AZR 805/11).


Der neue Rechtsstreit: Kündigung ohne Hinweis auf die gesetzlichen Fristen

Fraglich ist jedoch, ob eine ordentliche Kündigung "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" auch ohne einen solchen Hinweis noch ausreichend bestimmt ist.


Der Fall

Im Streitfall ging es um einen Lüftungsmonteur, der seit 2009 in einem Kleinbetrieb in Wesel beschäf-tigt war. Im Februar 2013 erklärte die Arbeitgeberin eine fristlose Kündigung. In dem Kündigungs-schreiben heißt es: "Ich sehe mich leider gezwungen, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos aus wichtigen Gründen zu kündigen. [...] Für den Fall, dass die außerordentli-che Kündigung unwirksam ist, kündige ich hilfsweise vorsorglich das mit Ihnen bestehende Arbeits-verhältnis ordentlich zum nächstmöglichen Termin auf."


Die Entscheidung der ersten Instanz

Auf die Kündigungsschutzklage des Monteurs hin entschied das Arbeitsgericht Wesel, dass die fristlo-se Kündigung unwirksam war, die ordentliche Kündigung dagegen wirksam, so dass das länger als zwei Jahre bestehende Arbeitsverhältnis mit gesetzlicher Monatsfrist zum 31.03.2013 beendet war (Urteil vom 29.08.2013, 2 Ca 404/13).


Die Entscheidung der zweiten Instanz

In der Berufung hatte der Kläger dagegen Erfolg, denn das Landesarbeitsgericht Düsseldorf meinte, dass auch die ordentlich Kündigung unwirksam, da sie in Bezug auf den Endtermin zu ungenau war (Urteil vom 28.08.2014, 5 Sa 1251/13). Die Kündigungserklärung bezeichnete nämlich weder einen Endtermin noch eine Kündigungsfrist noch enthielt sie einen Verweis auf das Gesetz. Daher war der Endtermin für den gekündigten Monteur nicht eindeutig. Die Entscheidung der dritten und höchsten Instanz.

Das BAG in Erfurt allerdings erklärte letztlich die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung für wirk-sam. Zur Begründung heißt es: Im Allgemeinen muss eine ordentliche Kündigung zwar Kündigungs-frist oder Endtermin angeben oder zumindest einen Verweis auf das Gesetz oder einen Tarifvertrag enthalten, damit für den gekündigten Arbeitnehmer klar ist, wann das Arbeitsverhältnis beendet sein soll. Auch eine Kündigung „zum nächst zulässigen Termin" ist grundsätzlich zulässig.


Die Begründung

Ob der Monteur hier leicht erkennen konnte, zu welchem Zeitpunkt er gekündigt werden sollte, ließen die Erfurter Richter ausdrücklich offen, möglicherweise auch deshalb, weil die dagegen vom LAG er-hobenen Bedenken nicht von der Hand zu weisen waren.

Das BAG argumentiert hier folgendermaßen: Bei einer fristlosen Kündigung weiß der Gekündigte oh-nehin, wann er gemäß den Vorstellungen des kündigenden Vertragspartners draußen sein soll - näm-lich sofort. Daher kommt es unter solchen Umständen nicht darauf an, ob es dem gekündigten Arbeit-nehmer leicht oder nicht leicht möglich ist, die Kündigungsfrist der nur hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung zu ermitteln (vgl. schon BAG, Urteil vom 23.05.2013, 2 AZR 54/12).

Für die Auffassung des BAG spricht, dass sie mit der allgemein anerkannten Möglichkeit, eine unwirk-same außerordentliche in eine wirksame ordentliche Kündigung gemäß § 140 BGB umzudeuten, bes-ser zusammenpasst als die Position des LAG Düsseldorf. Denn wenn eine unwirksame fristlose Kün-digung, die ohne vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung erklärt wird, in eine wirksame ordentliche Kündigung zum rechtlich korrekten Endtermin umgedeutet werden kann, kann es auf die Erkennbarkeit des regulären Endtermins in solchen Fällen nicht ankommen.


Fazit

Eine hilfsweise ordentliche Kündigung "zum nächstmöglichen Zeitpunkt", die eine fristlose Kündigung nur absichert, ist bestimmt genug, auch wenn sie keine Angaben zu Kündigungsfristen und Endtermin enthält. Denn wird ein Arbeitnehmer in erster Linie außerordentlich und fristlos und nur in zweiter Linie ordentlich gekündigt, ist für ihn klar, dass der Arbeitgeber eine sofortige Beendigung des Arbeitsver-hältnisses will. Der Arbeitnehmer muss und kann sich daher auf eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses einstellen.

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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