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Schneller und günstiger ans Bankkonto des Erblassers kommen

Kreditinstitute übersichern häufig, wenn es um die Interessen des eigenen Hauses geht. Das geht immer einher mit starken Verzögerungen für die Erben, bis sie ans Bankkonto des Erblassers kommen, um so Gelder verwalten zu können. Wie das Prozedere zu beschleunigen ist und nebenbei noch Kosten eingespart werden:


Wie lange dauert ein Erbscheinverfahren?

Banken fordern vom Erben regelmäßig die Vorlage eines Erbscheins. Ein Erbscheinsantrag kann erst nach Testamentseröffnung gestellt wird. Während das Testament von den Amtsgerichten in der Regel binnen circa acht Wochen eröffnet wird, wird der Erbschein von den Amtsgerichten zumeist erst nach über einem Jahr ausgestellt.


Was gilt, wenn Rechnungen zu bezahlen sind?

Es ist unmöglich, das Verfahren der Behörden zu beschleunigen. Sind Rechnungen vom Nachlasskonto zu tilgen sein, sollte die Bank dringend um die Möglichkeit einer Ausnahmeverwaltung gebeten werden, um Mahnungen zu vermeiden.

Wichtig: Im Falle einer Erbengemeinschaft müssen alle Erben beim Kreditinstitut vorstellig werden oder jedenfalls einer von sämtlichen anderen Miterben ordnungsgemäß bevollmächtigt sein.


BGH: kein Erbschein erforderlich bei Testament

Es lohnt sich allerdings, einen Anwalt zu konsultieren, wenn ein privatschriftliches oder gar notarielles Testament eröffnet wurde. Die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung besagt nämlich, dass die Bank in diesem Fall gar keinen Erbschein verlangen darf und die Erben durch ausreichende Legitimation Zugriff aufs Nachlasskonto erhalten müssen.

Achtung: Es ist unbedingt die Sterbeurkunde des Erblassers, die Testamentseröffnung nebst Testament des Nachlassgerichts sowie ein jeweils gültiger Personalausweise der Erben mitzubringen, sollten Kontoverfügungen beabsichtigt sein.


Ausnahme bestätigen die Regel

Der BGH bejaht allerdings auch bei Vorliegen eines Testaments das Erfordernis eines Erbscheins, sofern das Testament auslegungsbedürftig ist: Die Auslegung ist nämlich ausschließlich durch das Amtsgericht im Rahmen eines Erbscheinverfahrens vorzunehmen, das alleinig mit einem Erbscheinsantrag ins Laufen gebracht werden kann.

Gut zu wissen: Es reicht aus, wenn ein Miterbe einen Erbscheinsantrag stellt, die anderen müssen weder anwesend, noch einverstanden oder gar Kenntnis hiervon haben. Allerdings muss der beantragende Miterbe eine eidesstattliche Versicherung abgeben.


Wann ist ein Testament auslegungsbedürftig?

Auslegungsbedürftig ist das Testament bereits dann, wenn der Erblasser nicht die vollständigen Namen der Erben zu Papier gebracht hat. Häufig ist das Testament auch dann auslegungsbedürftig, wenn der Erblasser versehentlich juristische Begrifflichkeiten falsch und nicht eindeutig verwendet.

Tipp: Sollte das Testament nicht auslegungsbedürftig sein und die Bank dennoch einen Erbschein verlangen, nützt es häufig, dem Kreditinstitut unter Zitierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Kostenabwälzung anzudrohen, die durch ein Erbscheinverfahren droht.


Wenn alle Stricke reißen

Sollte die Bank weiterhin auf einen Erbschein bestehen, lohnt es sich, noch den letzten Rettungsanker zu werfen: Viele Banken bieten in Einzelfällen als Alternative zum Erbschein eine Nachlassverfügung mit Haftungserklärung an. In diesem Formular können die Erben mit der Bank die Vereinbarung über einen Erbscheinverzicht treffen gegen eine Haftungserklärung betreffend den Fall, dass sich die Erbfolge doch anders als angenommen herausstellen sollte.

Die Nachlassverfügung birgt einen Haftungsausschluss der Bank zu Lasten der Erben. Daher ist es wichtig, sich vorab von einem Fachanwalt für Erbrecht über die Erbfolge eingehend beraten zu lassen. Für die Nachlassverfügung mit Haftungserklärung wird die Bank eine Gebühr erheben, die allerdings regelmäßig kostengünstiger sein dürfte als ein Erbscheinverfahren und vor allen Dingen das Prozedere erheblich beschleunigt. Bitten Sie Ihre Bank in jedem Fall um Gebührentransparenz und lassen Sie sich über die Kosten vorab aufklären.



Bickenbach, den 09.11.2022

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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