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Kein Geld, keine Arbeitsverpflichtung. Inwiefern können Zurückbehaltungsrechte in einem Arbeitsvertrag bestehen?

Nach § 273 BGB kann der Schuldner, wenn er aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat, die von ihm geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, wenn sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt.

Es handelt sich bei dieser Vorschrift um eine Einrede in Gestalt eines Zurückbehaltungsrechts. Der Schuldner kann hiervon Gebrauch machen mit der Folge, dass ein gegen ihn gerichteter Anspruch vorübergehend außer Kraft gesetzt wird. Erforderlich für eine wirksame Geltendmachung ist, dass sich aus der Erklärung des Schuldners unmissverständlich ergibt, dass und warum er die von ihm geschuldete Leistung vorübergehend zurückbehält. Die Erklärung sollte dabei schriftlich erfolgen.

Wichtig ist: § 273 BGB findet auch im Rahmen von Arbeitsverträgen Anwendung. Dies bedeutet zum einen, dass Arbeitnehmern ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung zustehen kann. Denkbar ist dies etwa dann, wenn der Arbeitgeber keine geeigneten Maßnahmen trifft, um den Arbeitnehmer vor Belästigung zu schützen oder wenn er seiner Pflicht zur Gewährleistung von Sicherheit am Arbeitsplatz nicht nachkommt. Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall seine Tätigkeit einstellen, ohne dass sein Anspruch auf Arbeitsentgelt verloren geht. Der Arbeitgeber befindet sich während der berechtigten (!) Zurückbehaltung der Arbeitsleistung im Annahmeverzug nach § 615 Satz 1 BGB.

In der Praxis von großer Bedeutung ist die Möglichkeit des Arbeitnehmers von seinem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB Gebrauch zu machen, wenn der Arbeitgeber mit der Zahlung des Lohns in Verzug geraten ist. Hier ist jedoch zu beachten, dass sich die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände nicht als treuwidrig darstellen darf. Entscheidend sind dabei vor allem die Höhe der ausstehenden Vergütung, die Dauer der Verzögerung sowie der drohende Schaden für den Arbeitgeber.

Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers an Sachen des Arbeitgebers ist hingegen generell ausgeschlossen.

Auch der Arbeitgeber kann sich auf § 273 BGB berufen, wenn er gegen den Arbeitnehmer einen fälligen Anspruch hat. Ein Zurückbehaltungsrecht an der Vergütung kommt zum Beispiel dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer sich krankmeldet, ohne dabei seiner Pflicht nachzukommen, dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zukommen zu lassen. Arbeitgeber müssen berücksichtigen, dass eine Zurückbehaltung nur in Bezug auf den Netto-Lohn und nicht hinsichtlich bereits fälliger Ansprüche auf Sozialabgaben ausgeübt werden kann. Der unpfändbare Teil des Netto-Lohns ist dem Arbeitnehmer in jedem Fall zu überlassen.

Beachtet werden muss zudem Folgendes: Die Parteien können vertraglich einen Verzicht des Arbeitnehmers und/ oder des Arbeitgebers auf das Zurückbehaltungsrecht vereinbaren. Eine solche Bestimmung ist jedoch nur dann wirksam, wenn sie individuell vereinbart wird. Ist der Verzicht des Arbeitnehmers dagegen Teil der allgemeinen Vertragsbedingungen, stellt sie eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) dar, die wegen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 2 BGB unwirksam ist.

präsentiert von Kanzlei Dingeldein Rechtsanwälte

Mitgeteilt von
Christian John, Rechtsreferendar
Dingeldein • Rechtsanwälte

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