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Gemeinschaftliches Testament - Wann kann der Überlebende noch frei verfügen?

Das klassische gemeinschaftliche Testament ist geprägt von seiner Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung. Die testierenden Ehegatten sollten eine klare Vorstellung davon haben, was nach dem Tod des Erstversterbenden noch möglich sein soll, um ggf. explizit von der klassischen Möglichkeit abzuweichen.


Bindungswirkung

Bindungswirkung meint, dass die gemeinschaftliche Entscheidung, die beide Ehegatten zusammen zu lebt Zeiten treffen, in Stein gemeißelt wird, sobald einer der beiden Ehegatten verstirbt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der überlebende Ehegatte ab diesem Zeitpunkt keine weiteren Verfügungen mehr treffen kann, also nicht erneut anders testieren kann.


Expliziter Ausschluss der Bindungswirkung

Die Bindungswirkung kann ausgeschlossen werden. Dies sollte explizit im Testament stehen, da man ansonsten vom Normalfall ausgeht. So könnte beispielsweise dahingehend eine Formulierung getroffen werden, dass der überlebende Ehegatte auch nach dem Tod des Erstversterbenden weiterhin frei über das Nachlassvermögen des Erblassers verfügen kann.

Einen Königsweg stellt dar, dass bei der Schlusserbeinsetzung zu belassen, es dem überlebenden Ehegatten jedoch freizustellen, über die Quotelung neu zu verfügen. Das hat den Vorteil, dass der überlebende Ehegatte auf eventuell neue Situationen reagieren kann, der Grundgedanke des gemeinschaftlichen Testaments aber nicht mehr abgeändert werden kann.


Was ist eine Wiederverheiratungsklausel?

Häufig ist es der Wunsch der Ehegatten, dass mit dem Tod des Letztversterbenden das Vermögen an die gemeinsamen Kinder geht. Es besteht die Angst, dass der überlebende Ehegatte neu heiratet und dadurch die Kinder wirtschaftlich benachteiligt werden.
Dies kann nahezu vollständig vermieden werden, in dem man sich für eine der diversen, sich im Detail unterscheidenden Wiederverheiratungsklauseln entscheidet.

Häufig reicht es allerdings aus, explizit im Testament festzuhalten, dass sich die Ehegatten über die Möglichkeit einer Wiederverheiratungsklausel bewusst sind, sie hiervon aber keinen Gebrauch machen möchten. Dann wird zwar nicht ausgeschlossen, dass ein neuer Ehegatte seinen Pflichtteil gegenüber den Kindern geltend macht. Es ist indes auch klar, dass der Ehegatte das gemeinschaftliche Testament nicht zu seinen Gunsten mehr anfechten kann.


Wechselbezüglichkeit

Wechselbezüglichkeit meint, dass dasjenige, was für den einen Ehegatten gilt, auch für den anderen gilt. Dies hat zur Konsequenz, dass selbst bei einem Testament mit einer Voll- und Schlusserbschaftsregelung der überlebende Ehegatte in seinen Verfügungen zu Lebzeiten beschränkt ist:

Es ist ihm nach dem Tod des Erstversterbenden nicht mehr möglich, Immobiliarvermögen zu verschenken, damit die Schlusserben nicht beeinträchtigt werden. Im Unterschied zur Vor- und Nacherbschaftsregelung kann der überlebende Ehegatte, der als Alleinerbe eingesetzt wurde, jedoch noch Immobiliarvermögen verkaufen.


Expliziter Ausschluss der Wechselbezüglichkeit

Sollte es der Wunsch der testierenden Ehegatten sein, von diesem Normalfall abzuweichen, so muss im Testament explizit geregelt werden, für welche Verfügung die Wechselbezüglichkeit nicht gelten soll. Testament explizit geregelt werden, für welche Verfügung die Wechselbezüglichkeit nicht gelten soll.


Fazit

Es kann nahezu alles im Testament geregelt werden, es kommt nur auf den richtigen Wortlaut an. Nicht zu unterschätzen ist auch der Zusammenhang zwischen den einzelnen Klauseln. Ein "wasserfestes" Testament macht aus, dass bei der Erstellung sämtliche Möglichkeiten mitsamt der Konsequenzen gedanklich durchgespielt wurden und es von einem Anwalt (regelmäßig) überprüft wird.



Bickenbach, den 26.10.2020

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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