ARTIKEL
Die personenbedingte Kündigung

Wenn der Betrieb, in dem sie arbeiten, mehr als zehn Arbeitnehmer hat und Sie schon länger als sechs Monate dort beschäftigt sind, genießen Sie allgemeinen Kündigungsschutz. Ihr Arbeitgeber braucht dann nicht nur für eine außerordentliche, sondern auch für eine ordentliche Kündigung einen vernünftigen Grund, damit die Kündigung wirksam ist.


Erfolgsaussichten

Die Erfahrung zeigt, dass einige personenbedingte Kündigungen erfolgreich angegriffen werden können mit dem Ziel, den Erhalt des Arbeitsplatzes zu kämpfen oder um eine Abfindung zu erstreiten.


Häufigster Fall: Die krankheitsbedingte Kündigung

Im Gegensatz zur verhaltensbedingten Kündigung, bei der sich der Arbeitnehmer nicht entsprechend seiner Vertragspflichten verhält, knüpft die personenbedingte Kündigung an die Person des einzelnen Arbeitnehmers an. Häufigster Fall der personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte Kündigung. Als solche bezeichnet man eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, mit der einem Arbeitnehmer, der durch das Kündigungsschutzgesetz geschützt ist, trotzdem in rechtlich zulässigerweise ordentlich unter strengen Voraussetzungen gekündigt werden kann, falls der Arbeitnehmer aufgrund seiner Krankheit den Arbeitsvertrag künftig nicht mehr erfüllen kann. Der Arbeitgeber kann unter Beachtung der Voraussetzungen den Arbeitnehmer also aufgrund von krankheitsbedingten Fehlzeiten kündigen.


Vier typische Fallgruppen der krankheitsbedingten Kündigung

  1. häufige Kurzerkrankungen
    Der Arbeitnehmer ist immer wieder für einige Tage oder Wochen arbeitsunfähig erkrankt, so dass er mindestens über 6 Wochen im Kalenderjahr fehlt und diese Fehlzeiten auf Dauer ein Ausmaß von mindestens drei Jahren erreichen, dass der Arbeitgeber nicht mehr hinnehmen muss. Es kann jedoch nicht generell beantwortet werden, wie lange der Arbeitgeber häufige Kurzerkrankungen hinnehmen muss, bevor er mit Aussicht auf Erfolg kündigen kann.

  2. dauernde Arbeitsunfähigkeit
    Bei Ausspruch der Kündigung steht fest, dass der Arbeitnehmer auf die Dauer arbeitsunfähig krank bleiben wird, d. h. das eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit auszuschließen ist.

  3. langandauernde Krankheit
    Eine Wiederherstellung der Gesundheit zum Zeitpunkt der Kündigung ist zwar nicht ausgeschlossen, doch weiß der Arbeitgeber aufgrund einer bereits länger andauernden Krankheit nicht, ob und wann mit einer Genesung des Arbeitnehmers zu rechnen ist.

  4. krankheitsbedingte Leistungsminderung
    Die Krankheit des Arbeitnehmers führt dazu, dass der Arbeitnehmer auch dann, wenn er bei der Arbeit erscheint, erheblich hinter der zu erwartenden Leistung zurückbleibt.


Kündigung eines Arbeitnehmers in einem Unternehmen mit Betriebsrat

Besteht in Ihrem Betrieb ein Betriebsrat, so ist jede ausgesprochene Kündigung unwirksam, wenn Ihr Arbeitgeber den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört hat (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Im Falle des Ausspruchs einer Kündigung sollten Sie daher nach Erhalt der Kündigung unverzüglich bei Ihrem Betriebsrat vorstellig werden und diesen fragen, ob er vor Ausspruch Ihrer Kündigung überhaupt angehört worden ist. Falls ja, dann bitten Sie den Betriebsrat um Aushändigung der erfolgten Kündigungsanhörung durch den Arbeitgeber. Dies ermöglicht es dem Sie vertretenden Rechtsanwalt als Spezialist für Arbeitsrecht , vorab möglichst gut beurteilen zu können, ob die ausgesprochene Kündigung gerichtlich wirksam angegriffen werden kann.


Kündigung von Schwangeren, Behinderten oder Betriebsratsmitgliedern

Unwirksam sind auch oft Kündigungen, die gegenüber bestimmten Arbeitnehmergruppen ausgesprochen werden. So genießen Mitglieder des Betriebsrates, Schwangere und schwerbehinderte Arbeitnehmer besonderen Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch einer wirksamen Kündigung weitere Formalien beachten, so muss er z. B. vor Ausspruch einer Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Mehr lesen Sie bitte unter dem Stichwort: "Kündigungsschutz".


Die drei Voraussetzungen bei einer krankheitsbedingten Kündigung

Die krankheitsbedingten Kündigung muss drei Voraussetzungen erfüllen. Wenn nur eine der drei Voraussetzungen nicht erfüllt ist, ist eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam.

  1. negative Gesundheitsprognose
    Eine negative Gesundheitsprognose ist gegeben, wenn aufgrund medizinischer Prognosen die ernste Besorgnis weiterer krankheitsbedingter Fehlzeiten besteht. Aufschlussreich können insbesondere die Art, die Dauer und die Häufigkeit der bisherigen Erkrankungen, wie z. B. Gastritis, Bronchitis, Grippe, sein, es sei denn, sie sind ausgeheilt.

    Keine einmaligen Erkrankungen
    Fehlzeiten aufgrund von Arbeitsunfällen oder sonstige auf einmalige Ursachen, z. B. auf Sportunfälle beruhende Fehltage bleiben unberücksichtigt.

    Bei häufigen Kurzerkrankungen
    - betriebliche Gründe
    Bei häufigen Kurzerkrankungen werden betriebliche Interessen insbesondere durch erhebliche Betriebsablaufstörungen, also Störungen im Produktionsprozess, wie der Stillstand von Maschinen, Rückgang der Produktion wegen kurzfristig eingesetzten, erst einzuarbeitenden Ersatzpersonals oder Abzug von an sich benötigten Arbeitskräften aus anderen Bereichen, im Vordergrund stehen.
    - wirtschaftliche Gründe
    Kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastungen ergeben sich durch die dauerhaft und sich wiederholende Störungen des Austauschverhältnisses in Folge erheblicher Lohnfortzahlungskosten. Davon ist auszugehen, wenn für die Zukunft mit immer neuen Lohnfortzahlungskosten zu rechnen ist, die pro Jahr jeweils für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind.

    Bei Personalreserve kein Kündigungsgrund gegeben
    Werden krankheitsbedingte Ausfälle mit einer Personalreserve aufgefangen, kann es an einer Betriebsablaufstörung fehlen.

    Indikation bei einer dauerhaften Erkrankung
    Bei langanhaltenden Erkrankungen, für die es keine festen Bemessungszeiten gibt, indiziert die nicht absehbare Dauer der Arbeitsunfähigkeit und die daraus folgende Ungewissheit eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes. Als absehbar gilt ein Zeitraum von 24 Monaten.

    Schlechte Prognose bei einer langandauernden Arbeitunfähigkeit
    Bei einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit ist die Prognose schlecht, wenn nicht in absehbarer Zeit mit einer anderen positiven Entwicklung gerechnet werden kann.

    Erhebliche Beeinträchtigung bei einer krankheitsbedingten Leistungsmidnerung erforderlich
    Bei einer Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsminderung wird eine wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers eintreten, wenn die Zahlung des vollen Zeitlohnes keine nach betriebswirtschaftlichen und arbeitswissenschaftlichen Grundsätzen ausgerichtete adäquate Arbeitsleistung gegenübersteht. Da die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen erheblich sein muss, genügt hierfür nicht jede geringfügige Minderleistung. Erforderlich ist eine für längere Zeit erbrachte Arbeitsleistung von 2/3 der Normalleistung.

    Kein Nachschieben von Gründen nach Kündigungszugang
    Im Gegensatz zur verhaltensbedingten Kündigung ist bei einer krankheitsbedingten Kündigung die nachträgliche Korrektur durch nach Kündigungszugang eingetretene neue Tatsachen ausgeschlossen. Als neuer Umstand kommt dabei nicht nur eine vorher abgelehnte Operation oder stationäre Behandlung in Betracht. Sie kann auch in einer bloßen Änderung der Lebensführung liegen, zu der sich der Arbeitnehmer bisher nicht bereit finden konnte.

    Möglichkeit der stufenweisen Wiedereingliederung
    Bejaht der Arbeitgeber gegenüber der Krankenkasse die Möglichkeit einer stufenweisen Wiedereingliederung, fehlt es an der für eine krankheitsbedingte Kündigung erforderlichen negativen Gesundheitsprognose.

  2. dadurch erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen
    Die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers führen.

  3. kein milderes Mittel ersichtlich
    Die Störungen dürfen bei einer umfassenden Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien nicht durch mildere Mittel behebbar sein. Solche stellen z.B. die Einstellung von Aushilfskräften oder die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz dar.


Interessenabwägung

Bei der Interssenabwägung ist insbesondere zu bedenken, dass die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein müssen. Dabei ist die Betriebszugehörigkeit, das Alter und der Familienstand des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Auch Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers sind zu berücksichtigen. Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch zu prüfen, ob der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält. Zudem müssen die Lohnfortzahlungskosten "außergewöhnlich" bzw. "extrem" hoch sein, um allein die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar machen zu können. Als "außergewöhnlich" hoch hat das Bundesarbeitsgericht Lohnfortzahlungskosten für 60 Arbeitstage in einem Jahr, was der Verdoppelung des gesetzlichen Sechs-Wochen-Zeitraumes entspricht, angesehen. Des Weiteren ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitnehmer die Belastung mit Lohnfortzahlungskosten noch zumutbar ist, auf die Ausfallquote von Arbeitnehmern mit vergleichbaren oder ähnlichen Arbeitsbedingungen abzustellen. Ist auch bei diesen die Quote der krankheitsbedingten Ausfälle besonders hoch, kann nur eine ganz erhebliche höhere Ausfallquote eine Kündigung rechtfertigen, und dies auch nur dann, wenn Überbrückungsmaßnahmen nicht erfolgreich oder nicht zumutbar gewesen sind.


Bei langanhaltender Krankheit

Bei einer langanhaltenden Krankheit kommt die Kündigung als letztes Mittel erst dann zum Zuge, wenn dem Arbeitgeber die Durchführung von Überbrückungsmaßnahmen, z. B. die Einstellung von Aushilfskräften, die Anordnung von Mehrarbeit, organisatorische Umstellungen, nicht mehr möglich oder zumutbar ist. Versetzungen, Änderungen der Arbeitsbedingungen und Umschulungen können die Kündigung als mildere Maßnahme nur verhindern, wenn die krankheitsbedingten Fehlzeiten arbeitsplatzbezogen sind. Bei arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit kommt nicht nur die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einen freien leidensgerechten Arbeitsplatz in Betracht, sondern auch auf einen solchen, den der Arbeitgeber erst durch die Ausübung seines Direktionsrechtes freimachen muss.


Betriebliches Eingliederungsmanagement

Mit Hilfe eines betrieblichen Eingliederungsmanagements können mildere Mittel erkannt und entwickelt werden. Dies ist allerdings kein zwingendes Erfordernis für die Wirksamkeit der Kündigung.


Ihr Verhalten bei einer personenbedingten Kündigung: 3-Wochen-Frist

Wenn Sie eine Kündigung erhalten, müssen Sie sich innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung entscheiden, ob Sie dagegen Kündigungsschutzklage erheben wollen oder nicht.

Die Beachtung der Drei-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage ist nicht nur dann wichtig, wenn Sie mit der Klage Ihre weitere Beschäftigung durchsetzen wollen. Die Einhaltung der Frist ist genauso wichtig, wenn Sie das Ziel verfolgen, eine gute Abfindung auszuhandeln. Ist nämlich die Klagefrist abgelaufen, so ist die ausgesprochene Kündigung wirksam und Ihr Arbeitgeber hat kein Risiko mehr, den Kündigungsschutzprozess zu verlieren. In einer solch schlechten Ausgangssituation ist daher normalerweise nicht davon auszugehen, dass sich Ihr Arbeitgeber noch auf die Zahlung einer Abfindung einlassen wird. Hingegen sind Arbeitgeber grundsätzlich bereit, eine Abfindung zu bezahlen, wenn diesen in einem Kündigungsschutzprozess dargelegt werden kann, dass die von ihnen ausgesprochene Kündigung durchaus mit Mängeln behaftet ist und damit unwirksam sein kann.

Haben Sie eine Rechtsschutzversicherung oder können Sie rechtliche Vertretung durch Ihre Gewerkschaft beanspruchen, so riskieren Sie durch eine Kündigungsschutzklage in der Regel nichts. Vielmehr haben Sie im Falle der Erhebung einer Kündigungsschutzklage die Möglichkeit, um Ihren Arbeitsplatz zu kämpfen oder aber die Chance auf eine Abfindung.

Je nach Ihrer finanziellen Lage besteht die Möglichkeit, dass der Staat die Kosten für Ihren Rechtsanwalt im Wege der Prozesskostenhilfe übernimmt.

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.