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Muss ein kranker Arbeitnehmer zum Personalgespräch?


Die Situation

Der Arbeitnehmer ist arbeitsunfähig erkrankt und verfügt über eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Sein Chef fordert ihn auf, während der Arbeitsunfähigkeit zu einem Personalgespräch im Betrieb zu erscheinen.


Die rechtliche Einschätzung

[-] persönliche Anwesenheit im Betrieb bei ansteckender Krankheit
Die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers kann dann nicht vom Arbeitgeber verlangt werden, wenn jener an einer ansteckenden Krankheit leidet oder bettlägerig ist. Da hier ein persönliches Erscheinen offensichtlich genesungsfeindlich ist, würde der Arbeitgeber der Genesung des Arbeitnehmers mit einer entsprechenden Ladung schaden. Konsequenterweise kann er ein persönliches Erscheinen dann auch nicht verlangen.

Zumeist weiß der Arbeitgeber jedoch nichts vom Grund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arbeitnehmers. Erscheint der Arbeitnehmer trotz Aufforderung des Arbeitgebers einfach nicht, wird dies Fragen aufwerfen. Andererseits ist der Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber gegenüber nicht weisungsgebunden. Er wird daher nicht nachweisen müssen, dass er ansteckend oder bettlägrig erkrankt ist. Dies würde sich ad absurdum zur Schweigepflicht verhalten.

Problematisch ist in einem solchen Fall dennoch, das Personalgespräch beim Arbeitgeber einfach abzulehnen. Prinzipiell ist nämlich dem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer während seiner Krankheit alles erlaubt, was der Arzt nicht als genesungsfeindlich einstuft. Um Ärger zu vermeiden, sollte der Arbeitnehmer zumindest angeben, dass er nicht zum Termin erscheinen wird. Sicherheitshalber sollte er sich hierfür vom behandelnden Arzt eine Bescheinigung erteilen lassen, dass dieser ein persönliches Erscheinen als genesungsfeindlich einstuft.

[-] persönliche Anwesenheit im Betrieb bei nichtansteckender Krankheit
Anders kann es aussehen, wenn der Arbeitnehmer seinen Arm in Gips hat und ohnehin spazieren gehen kann. Dann kann er auch zum Arbeitgeber gehen und kann dort ein Personalgespräch führen.

Dennoch kann der Arbeitgeber im Falle der arbeitsunfähigen Erkrankung des Arbeitnehmers nicht verlangen, dass sich der Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise verhält. Auch hier gilt: Kann sich der Arbeitnehmer vom behandelnden Arzt bescheinigen lassen, dass ein persönliches Erscheinen seiner Gesundheit gefährdet, ist er auf der sicheren Seite. Erhält er eine solche Bescheinigung jedoch nicht, ist dem Arbeitnehmer anzuraten, zum Personalgespräch zu erscheinen, um Verhandlungsbereitschaft zu zeigen.

[-] persönliche Anwesenheit im Betrieb bei psychischer Krankheit
Schwierig dürfte sein, wenn der Arbeitnehmer psychisch krank ist, z.B. unter einem Burnout leidet. Zwar ist es bei einer psychischen Erkrankung dem Arbeitnehmer zumeist physisch möglich, außer Haus zu gehen.

Hier drängt sich aber die Frage auf, ob ein oftmals mit emotionalem Druck verbundenen Personalgespräch der Genesung nicht schädlich ist. Dann kann der Arbeitgeber ein persönliches Erscheinen vom Arbeitnehmer nicht verlangen.

In einem solchen Fall ist dem Arbeitnehmer anzuraten, sich eine Bescheinigung vom behandelnden Arzt ausstellen zu lassen, nicht zum Termin erscheinen zu können. Wegen seiner Schweigepflicht muss der Arzt nicht über den Grund aufklären, der Arbeitnehmer ist beim Arbeitgeber aber ausreichend entschuldigt.

Stellt der Arzt jedoch fest, dass der Arbeitnehmer das Personalgespräch führen kann, könnte es sogar Sinn machen, dass dieser eine ärztliche Genehmigung vorlegt, aus der hervorgeht, dass er ca. 1 Stunde am Personalgespräch teilnehmen kann, aber nicht länger, da er arbeitsunfähig erkrankt ist.

[-] persönliche Anwesenheit bei Gericht während eines Verhandlungstermins
Umgekehrt gilt das Gleiche für einen Verhandlungstermin bei Gericht, solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Der Arbeitnehmer kann sich natürlich wegen der Krankheit vom persönlichen Erscheinen befreien lassen. Geht er jedoch hin, sollte er zumindest eine ärztliche Genehmigung haben, da ansonsten der Arbeitgeber leicht auf die Idee kommen könnte, der Arbeitnehmer sei überhaupt nicht krank. Dann wäre das Erscheinen bei Gericht kontraproduktiv.


Fazit

Als milderes Mittel zum persönlichen Erscheinen wird ein Telefongespräch zwischen dem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber eher verlangt werden können.

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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