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Die Kompatibilität von Führungsposition und Mutterschutz

Über den Rücktritt der Gründerin von Westwing - Delia Lachance - von Ihrem Amt als Vorstandsmitglied des börsennotierten Unternehmens (AG) wurde vergangenen Weltfrauentag heiß diskutiert. Auch Betriebsrätinnen empörten sich hierüber, da sie ihre Position während einer Schwangerschaft ebenfalls gefährdet sahen.

Wir nehmen nun den Muttertag zum Anlass, aus juristischer Sicht darzustellen, wann Frauen welche Führungspositionen aufgrund einer Schwangerschaft aus gesetzlichen oder vertraglichen Gründen aufgeben können müssen und wie sie sich davor schützen können.


Mutterschutz versus Elternzeit

Der Mutterschutz ist von der Elternzeit zu unterscheiden und tritt sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung zwingend ein. Der Gesetzgeber verhängt mindestens für diese Zeit ein absolutes Beschäftigungsverbot und schützt die werdende bzw. frisch gebackene Mutter vor einer Kündigung. Die Elternzeit kann im Anschluss daran sowohl von der Mutter als auch vom Vater genommen werden und kann zwar bei Antragstellung vom Arbeitgeber nicht verweigert werden, von diesem Recht Gebrauch zu machen, steht den Eltern hingegen frei.


Arbeitnehmerinnen versus andere Beschäftigte

Der Mutterschutz gilt allerdings ausschließlich für Arbeitnehmerinnen, also für solche Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis angestellt sind und den Weisungen des Arbeitgebers unterliegen. Keinen Mutterschutz genießen indes Selbstständige oder Frauen, die aufgrund ihrer Position nicht die Eigenschaft einer Arbeitnehmerin aufweisen.

Betroffen sind beispielsweise die Positionen der Aufsichts-, Personal- und Betriebs- und sonstiger Mandatsträgerinnen, Vorstandsmitgliederinnen und anderen Organen von Gesellschaften, selbstständigen Unternehmerinnen und Geschäftsführerinnen mit Ausnahme von Fremdgeschäftsführerinnen. Für sie gilt: Mangels bestehenden Angestelltenverhältnisses gilt kein gesetzlicher Mutterschutz. Eine vertragliche Absicherung ist daher dringend erforderlich


Hintergrund: Haftungsproblematiken

Auch vertraglich lassen sich nur rudimentär Vereinbarungen finden, in denen sich die Parteien darauf einigen konnten, dass die Frau im Falle einer Schwangerschaft nicht ihre Position aufgeben muss. Hintergrund ist, dass eine Abwesenheit von circa zwei Monaten in gewissen Positionen nicht vorgesehen ist, da die Nichtanwesenheit der betroffenen Person Haftungsrisiken zum Nachteil des Unternehmens, aber auch der jeweiligen Frau, auslösen kann. Dabei gibt es diverse Möglichkeiten, die Phase des Mutterschutzes zu überbrücken oder Rückkehrmöglichkeiten zu erleichtern. Es muss nur konkret vertraglich geregelt werden. Im Einzelnen:


  • Vorstandsmitglieder
  • aktuelle Gesetzeslage: Haftung bei schwangerschaftsbedingter Abwesenheit

    Ein Vorstandsmitglied kann sich von gesetzlichen Pflichten, die sich aus dem Aktiengesetz und dem Gesellschaftsrecht ergeben, nicht für eine gewisse Übergangszeit - aus schwangerschaftsbedingten Gründen - befreien lassen. Auch wenn ein Vorstandsmitglied fehlt, nicht an Sitzungen teilnimmt und keine Entscheidungen für das Unternehmen trifft, haftet dieses Vorstandsmitglied unverändert.

    Eine Enthaltung führt nämlich nicht zu einer Haftung. Diese Haftung will in der Regel die Person nicht, die sich wegen einer bevorstehenden Geburt aus dem Alltagsgeschäft zurückziehen muss, und gibt deswegen ihr Mandat ab.


    vertragliche Regelungsmöglichkeit: Pausierung des Mandats

    Nachteilig ist es für die Frau insbesondere dann, wenn sie wegen der Babypause dauerhaft das Mandat niederlegen muss, da sie dann ersetzt wird. Diejenige Person, der für die schwangere Frau einspringt, wird für diese Position nicht zu begeistern sein, wenn diese nur vorübergehender Natur ist. Die Entscheidung hierüber trifft letztlich das Unternehmen.

    Der Gesetzgeber hat es bisher versäumt, Regelungen zu schaffen, die eine Berücksichtigung der natürlichen Verantwortung von Frauen vor, während und nach der Schwangerschaft vorsieht. Dennoch besteht vertraglich die Möglichkeit, den werdenden Müttern nach der Mandatsniederlegung ein Rückkehrrecht in den Vorstand sichern. Eine rechtliche Beratung für den konkreten Einzelfall ist unerlässlich.


  • Betriebsratsmitglieder
  • aktuelle Gesetzeslage: die Schwangerschaft hat keinen Einfluss auf das Betriebsratsamt

    Eine Schwangerschaft kann dazu führen, dass eine Frau vorrübergehend an der Ausübung der Betriebsratstätigkeit gehindert ist.

    Durch eine Schwangerschaft, die die Ausübung der Betriebsratstätigkeit vorübergehend verhindert, wird das Betriebsratsamt nicht berührt. Ein Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat kommt nur in den gesetzlich geregelten Fällen in Betracht, wie beispielsweise durch Ablauf der Amtszeit, Niederlegung des Betriebsratsamtes, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Verlust der Wählbarkeit etc.


    vertragliche Regelungsmöglichkeit: Orientierung an den Grundsätzen der Arbeitsunfähigkeit

    Befindet sich das Betriebsratsmitglied in Mutterschutz oder wird während der Schwangerschaft ein ärztliches Beschäftigungsverbot verhängt, ist hinsichtlich der Ausübung des Betriebsratsamtes nach den Grundsätzen zu verfahren, die für Arbeitsunfähigkeit entwickelt wurden. Bei Beschäftigungsverboten im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Geburt besteht eine tatsächliche Vermutung der Amtsverhinderung.


    unternehmerische Regelungsmöglichkeit: Bestimmung eines Ersatzmitglieds

    Bei der Verhinderung eines Betriebsratsmitgliedes hat der Betriebsrat gegebenenfalls ein Ersatzmitglied zu bestimmen. Ein solches sollte im Unternehmen ohnehin auch aufgrund anderer Abwesenheitsgründen als der der Schwangerschaft bereitgehalten werden.

    Fehler im Rahmen der Bestimmung des Ersatzmitglieds sollten in diesem Zusammenhang unbedingt vermieden werden. Im Zweifel riskiert der Betriebsrat nämlich seine Beschlussfähigkeit. Eine rechtliche Beratung für den konkreten Einzelfall ist unerlässlich.


  • GmbH-Geschäftsführerinnen, Unternehmerinnen, Freie Musikerinnen, Handelsvertreterinnen oder "Feste Freie" im Medienbereiche
  • aktuelle Gesetzeslage: Beanspruchung von Mutterschutz möglich

    Nach der am 01.01.2018 in Kraft getretenen Reform des Mutterschutzgesetzes wurde der Anwendungsbereich desselbigen deutlich erweitert. Mit der neuen Rechtslage können Geschäftsführerinnen im Regelfall ebenfalls gesetzlichen Mutterschutz beanspruchen. Damit fallen sie unter den Geltungsbereich der Mutterschutzfristen, des Nachtarbeitsverbots und genießen den arbeitsrechtlichen Sonderkündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes.

    Dies gilt ebenfalls für selbstständige Unternehmerinnen, die zwar wegen fehlender Eingliederung in eine betriebliche Organisation nicht persönlich, wohl aber wirtschaftlich von ihrem Auftraggeber abhängig sind. Dies kann unter anderem für freie Musikerinnen, Handelsvertreterinnen oder „feste Freie“ in den Medien relevant sein. Ihr Dienst- oder Werkvertrag kann nicht einfach ordentlich gekündigt werden, solange noch die einschlägigen Schutzfristen laufen. Auch die Beschäftigungsverbote sind anwendbar.


    vertragliche Regelungsmöglichkeiten: finanzielle Überbrückung der Mutterschutzzeit

    Allerdings erhalten arbeitnehmerähnliche Personen für die Zeit, in der sie nicht tätig sind, auch keine Vergütung. Einen Anspruch auf Elterngeld haben sämtliche Erwerbstätige, unabhängig von ihrer Position und auch solche, die ihre Position aufgegeben haben und aktuell nicht erwerbstätig sind. Eine vertragliche Regelung sollte beide Situationen vollumfänglich berücksichtigen. Eine rechtliche Beratung für den konkreten Einzelfall ist unerlässlich.



    Fazit

    Fakt ist, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch immer nicht vollständig an die moderne Frau angepasst wurden und die gesetzlichen Regelungen des Mutterschutzgesetzes auf bestimmte berufliche oder organschaftliche Positionen keine oder lediglich eingeschränkte Anwendung finden. Die Folge ist eine erhebliche rechtliche Unsicherheit in Bezug auf sämtliche Rechte und Pflichten, die beruflich mit der Schwangerschaft einhergehen - und zwar sowohl für die Betroffene selbst als auch für das gesamte Unternehmen. Anstatt hier vorschnell den "Rückzieher" zu machen, sollten besser zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses sämtliche Eventualitäten im Vertrag Berücksichtigung finden.



    Bickenbach, den 12.05.2020

    Mitgeteilt von
    RAin Änne Dingeldein
    Dingeldein • Rechtsanwälte

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