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Corona und Unterhalt

Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus stellen die Menschen vor große Herausforderungen. Die wirtschaftlichen Folgen schlagen schon jetzt sehr erheblich auf die Familien durch, und die Situation wird sich in den kommenden Wochen und Monaten vermutlich noch erheblich verschlimmern. Das betrifft auch und im Besonderen Familien, die von Trennung und Scheidung betroffen sind.

Ein besonderes Corona-Unterhaltsrecht gibt es natürlich nicht. Es werden sich aber bestimmte Fragen in einem anderen Licht stellen, die uns und Sie in Unterhaltsmandaten seit jeher beschäftigen. Zwei von ihnen will ich hier anreißen:

Einkommenshöhe

Die Höhe von Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt hängt vom Einkommen des Pflichtigen ab. Sinkt dieses, wird der Unterhaltspflichtige ein Interesse daran haben, dass der Unterhalt nach unten angepasst wird. Das ist nicht in jedem Fall erfolgreich. Denn der Unterhalt ist auf Basis eines Durchschnittseinkommens zu zahlen. Ein vorübergehender kleiner Knick wird keine Abänderung des gezahlten Unterhalts rechtfertigen, insbesondere, wenn ein Unterhaltstitel in der Welt ist. Titel wie Urteile, Vergleiche oder Jugendamtsurkunden sollen für einen gewissen Rechtsfrieden sorgen und nicht bei jeder Schwankung angepasst werden können. Wir wissen Stand heute vielfach noch nicht, wie groß die Langzeitfolgen für den Einzelnen sein werden. Die Aufhebung oder Lockerung der Maßnahmen kann für die Eine zu einer Rückkehr zu den alten Einkommensverhältnissen führen, für den Anderen aber womöglich nicht. Die Angst vor Ansteckung wird bleiben. Man darf auch nicht vergessen, dass mit dem Versuch einer Abänderung von Titeln oder auch der bloßen Neuberechnung des Unterhalts auch Kosten für Anwälte und ggf. Gericht einhergehen können. Eine Änderung des Kindesunterhalts um eine Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle bringt einem monatlich rund 20-30 Euro. Diese können sich natürlich läppern, aber einen ernsthaften Streit und dessen Kosten rechtfertigen sie in manch einem Fall nicht.

Bei härteren und langwierigeren Einschnitten wie Arbeitslosigkeit, langfristiger Kurzarbeit, Arbeits- oder gar Berufsunfähigkeit durch Folgen einer COVID19-Erkrankung oder als Folge traumatischer Erlebnisse an der medizinischen und Pflege-"Front", den langfristigem Wegfall von Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit etc. muss natürlich der Unterhalt reduziert werden können.

Wichtig: Eine Abänderung von Titeln ist vielfach nur für die Zukunft möglich. Hier sollte man eine etwaige Änderung dringend bei der Gegenseite "anmelden". Wenn man dann mehr Klarheit hat, kann man in Ruhe entscheiden, wie man weiter vorgeht.

Und: Reduzieren Sie titulierten Unterhalt nie ohne Genehmigung durch die Gegenseite bzw. die Einleitung eines gerichtlichen Abänderungsverfahrens. Sie riskieren Vollstreckungsmaßnahmen, die mit Kosten und persönlichen Unannehmlichkeiten, z.B. einer deutlichen Verschlechterung des Schufa-Scores, verbunden sind.

Erwerbsobliegenheit

Sowohl Unterhaltspflichtiger als auch Unterhaltsberechtigter sind gehalten, dem anderen nach Möglichkeit Kosten zu sparen. Wer Unterhalt zahlen muss, darf also nicht in der Arbeitslosigkeit oder einer Teilzeitbeschäftigung verharren, sondern muss sich nach Kräften bewerben. Das gleiche gilt auch für den unterhaltsbedürftigen Teil. In der Praxis gibt es hier sehr oft Streit: Wie lange ist es angemessen, dass ich die Kinder betreue, und wann muss ich wieder mehr bzw. vollschichtig erwerbstätig sein? Wie viele Bewerbungen muss ich pro Monat schreiben? Muss ich meine sichere Stelle aufgeben, um eine unsichere Stellung annehmen, die mir auf dem Papier mehr Geld beschert? Darf ich in meiner neuen Familie meine Berufstätigkeit aufgeben, um für die neu hinzugekommenen Kinder da zu sein?

Diese Fragen könnten sich "dank" der Corona-Maßnahmen in neuen Schattierungen stellen. Wenn ich in einer von den Maßnahmen und der Angst vor Erkrankung besonders betroffenen Branche tätig bin, werde ich womöglich gar keine Stelle finden, so oft ich mich auch bewerbe. Wenn ich eine durch das Kündigungsschutzgesetz recht gut gesicherte Stelle habe, ist es womöglich jetzt ganz besonders ungünstig, mich wegzubewerben, auch wenn die Stelle nicht sehr gut dotiert ist. Wenn ich in meiner "neuen" Familie bisher der Gutverdiener/die Gutverdienerin war, und plötzlich kehren sich als Folge der Krise die Verhältnisse um: warum sollte ich nicht zu Hause bleiben dürfen und für Haus und Kinder sorgen, während meine Frau/mein Mann jetzt für das Familieneinkommen sorgen?

Viele der in diesem Text angesprochenen Fragen haben sich in dieser Form und Häufung bislang noch nicht gestellt. Die langfristigen Folgen sind heute seriös noch nicht absehbar. Anwälti*nnen und Richter*innen sind hier gehalten, in jedem Einzelfall für interessengerechte Lösungen zu sorgen.



Bickenbach, den 07.04.2020

präsentiert von Kanzlei Dingeldein Rechtsanwälte

Mitgeteilt von
RA Martin Wahlers
Fachanwalt für Erb-, Familien- u. Versicherungsrecht; Mediator
Dingeldein • Rechtsanwälte

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