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Keine Verjährung von Urlaubsansprüchen auch bei Langzeiterkrankten?

Nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung galt bislang grundsätzlich, dass der Urlaubsanspruch nach 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH zur Hinweispflicht des Arbeitgebers und die jüngste nationale Umsetzung durch das BAG am 20.12.2022 (AZ: 9 AZR 266/20) zur Verjährung von Urlaub aus den Vorjahren stellt sich nunmehr die Frage, ob der Arbeitgeber auch Langzeiterkrankte auf ihren Resturlaub hinweisen muss, damit die Verjährungsfrist zu laufen beginnt.


BAG bis 2021: Hinweispflicht nur im ersten Jahr einer Langzeiterkrankung

Das BAG hatte mit Urteil vom 07.09.2021 entschieden, dass Langzeiterkrankten die Möglichkeit fehle, Urlaub zu nehmen und daher der Urlaub der Verjährung unterliegt, wenn der Arbeitnehmer ohnehin das gesamte Jahr erkrankt war. Zwar gilt auch hier die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers. Allerdings ist im Falle der arbeitgeberseitigen Pflichtverletzung nicht die fehlende Information der Grund, weshalb kein Urlaub genommen werden konnte, sondern tatsächlich die arbeitsunfähige Erkrankung.


EuGH seit 2021:

Der EuGH entschied nach Vorlage im Jahr 2021 (C - 518/20 und C - 727/20), dass die nationale Regelung, dass Urlaub nach 15 Monaten Arbeitsunfähigkeit verfällt, unionsrechtskonform ist. Aber auch hier gilt: Beim Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im laufenden Urlaubsjahr kommt dieser Verfall von Urlaubsansprüchen jedenfalls aus diesem Jahr nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber zuvor über den Urlaubsanspruch unterrichtet hatte.


BAG am 20.12.2022 - AZ: 9 AZR 245/19

Unter Berücksichtigung der europäischen Rechtsprechung unterscheidet nunmehr das BAG nunmehr zwischen dem Eintritt der Langzeiterkrankung im ersten Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer noch zum Teil gearbeitet hatte und den Folgejahren, in denen der Arbeitnehmer ganzjährig arbeitsunfähig erkrankt war. Im ersten Fall erlischt der Urlaubsanspruch nach 15 Monaten nur nach erfolgter Hinweispflicht, in den Folgejahren kommt es auf die Hinweispflicht nicht mehr an.



Bickenbach, den 27.12.2022

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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