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Unbezahlte Freistellung eines Pflegers mangels Corona-Impfung rechtswidrig

Das Arbeitsgericht Dresden hat mit Urteil vom 03.02.2023 (AZ: 4 Ca 688/22) die unbezahlte Freistellung einer Pflegerin im Seniorenheim mangels Corona-Impfung als rechtswidrig erachtet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeheimen ist Ende 2022 ausgelaufen.


Der Fall

Die Klägerin war in einem Seniorenheim beschäftigt. Sie konnte weder einen Impfnachweis noch einen Genesenennachweis erbringen. Daraufhin meldete der Arbeitgeber dies ordnungsgemäß beim Gesundheitsamt und stellte die Mitarbeiterin von der Verpflichtung ihrer Arbeitsleistung frei, ohne ihre Vergütung weiter zu bezahlen. Ein behördliches Beschäftigungsverbot war noch nicht erteilt worden.


Die gerichtliche Entscheidung

Das Arbeitsgericht Dresden urteilte über den vorliegenden Fall, dass die unbezahlte Freistellung der Mitarbeiterin rechtswidrig war und verurteilte den Arbeitgeber zur Lohnnachzahlung. Als Begründung führte es an, dass das Gesetz zwischen Beschäftigungsverboten von Neueinstellungen und bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen unterscheide: Die Einstellung neuen Personals seit Gesetzesänderung sei unzulässig gewesen, über die Beschäftigung bereits eingestellten Personals hingegen habe allein das Gesundheitsamt zu entscheiden.


Die Rechtslage

Gemäß § 20a IfSG galt bis Ende 2022 eine einrichtungsbezogene Impfpflicht, wonach u.a. Krankenhäuser, Rettungsdienste, Pflege- und Seniorenheime, Arztpraxen und Beschäftigte in der ambulanten Pflege nur Personen beschäftigen dürfen, die vollständig geimpft sind oder einen aktuellen Genesenennachweis vorlegen konnten. Maßgeblicher Stichtag war der 15.03.2022. Die Beschäftigung von nach diesem Tag eingestellten ungeimpften Personen war unzulässig. Die bereits eingestellten Mitarbeiter mussten Impf- und Genesungsstatus gegenüber ihrem Arbeitgeber nachweisen. Konnten sie diese Voraussetzungen nicht erfüllen, war der Arbeitgeber zur Mitteilung an das zuständige Gesundheitsamt verpflichtet. Dieses konnte sodann ein Beschäftigungsverbot verhängen. Geschah dies, durfte der Mitarbeiter nicht mehr tätig werden, geschah dies nicht, war eine Beschäftigung des ungeimpften Mitarbeiters zulässig.


Parallelentscheidung

Das Arbeitsgericht Gießen beurteilte in seiner Eilentscheidung vom 12.04.2022 (AZ: 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22) eine ähnliche Fallkonstellation anders: Zwar sah es ebenfalls, dass aus der Vorschrift des Infektionsschutzgesetzes ein unmittelbares Beschäftigungsverbot bei Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises lediglich für Neueinstellung herzuleiten sei, nicht für bereits eingestellte Mitarbeiter. Gleichwohl erkannte das Gericht an, dass es dem Arbeitgeber unbenommen sei, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung des § 20 IfSG und unter Anwendung billigen Ermessens das besondere Schutzbedürfnis der Heimbewohner höher als das Beschäftigungsinteresse ungeimpften Personals.


Fazit

Beide Urteile wurden bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden. Die Parallelentscheidung des Arbeitsgerichts Gießen ist ergebnisorientierter, ohne dabei das Gesetz auszuhebeln. In der Entscheidung des Arbeitsgerichts Dresden ging es um eine angestellte Köchin. Ausschlaggebend dürfte bei einer wohl vorzunehmenden Interessenabwägung auch die konkrete Kontaktnähe zu den Patienten und Heimbewohnern sein.



Bickenbach, den 06.02.2023

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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