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Die Tücken des gemeinschaftlichen Testaments

Ein Testament, das gemeinsam mit dem Ehepartner gestaltet wird, bindet. Das bedeutet, dass der gemeinsam gebildete Wille auch nur gemeinschaftlich widerrufen werden kann. Sobald einer der Partner verstorben ist, sind die testamentarischen Verfügungen für den anderen in Stein gemeißelt, das heißt nicht mehr abzuändern. Es sei denn, die Ehepartner haben eine andere Regelung getroffen.


Sogenannte Wechselbezüglichkeit

Insbesondere die gegenseitige Erbeinsetzung stellt eine wechselbezügliche Verfügung dar. Das heißt man geht davon aus, dass der eine Partner den anderen nur unter der Voraussetzung als Erben einsetzen möchte, dass er sich von ihm als Erben eingesetzt wird. Solche wechselseitigen Verfügungen können nicht einseitig widerrufen werden, denn das hätte zur Folge, dass der eine Partner den anderen nicht mehr als seinen Erben einsetzt, ohne dass der andere davon wüsste und unter diesen Umständen möglicherweise auch seine Erbeinsetzung ändern würde.


Qualifizierte Verfügungen und andere Konstruktionen

Nicht jede Verfügung im gemeinsamen Testament ist wechselbezüglich - dies muss für jede einzelne Verfügung gesondert geprüft werden. Einseitige Verfügungen können natürlich auch einseitig widerrufen werden. Es wird noch komplexer: Es ist auch möglich, dass bloß die Verfügung eines Ehepartners von der des anderen abhängig ist, aber nicht umgekehrt. Auch hier kann ein eindeutiger Widerruf unmöglich sein. Ob eine Verfügung (einseitig) wechselbezüglich ist oder nicht, muss letztlich durch Auslegung ermittelt werden.


Gestaltungsmöglichkeiten

Es lohnt sich daher, klarzustellen, ob ein gemeinsames Testament wechselbezüglich sein soll oder nicht. Dabei gibt es ganz konkret folgende drei Möglichkeiten, seinen letzten Willen zu formulieren - die Feststellung der Regel (1), die Feststellung der Ausnahme (3) oder die Wahl des Mittelwegs (2):

  1. "Alle in diesem Testament getroffenen Verfügungen sind wechselbezüglich."
  2. "Die Einsetzung der Schlusserben ist wechselbezüglich."
  3. "Keine der in diesem Testament getroffenen Verfügungen ist wechselbezüglich."


Vor- und Nachteile

Die Vor- und Nachteile der einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten kommen ganz auf die individuelle familiäre Situation an. Der "Königsweg", der eine beschränkte Änderung der Verfügungen durch nur einen Ehepartner, auch nach dem Tod des anderen, zulässt, gesteht dem Überlebenden die Möglichkeit zu, auf aktuelle Situationen reagieren, ohne das gesamte Konstrukt des gemeinsamen Testaments zu erschüttern.



Bickenbach, den 25.10.2022

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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