Eine ehemalige Mitarbeiterin der Caritas trat aus der Kirche aus. Den Austritt begründete sie aufgrund der zu hohen Kirchensteuer. Ihre christlichen Werte verfolge sie trotz des Austritts weiterhin. Die Caritas drohte der ehemaligen Mitarbeiterin mit einer Kündigung, falls diese nicht wieder in die Kirche eintreten werde. Die ehemalige Mitarbeiterin blieb jedoch bei ihrer Entscheidung und wurde daraufhin von der Caritas, ihrem kirchlichen Arbeitgeber gekündigt.
Daraufhin klagte die ehemalige Mitarbeiterin gegen die erhaltene fristlose bzw. hilfsweise ordentliche Kündigung, die sie erhalten hatte. In den Vorinstanzen vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht war ehemalige Mitarbeiterin damit in der Sache erfolgreich.
Das LAG gab der Klage der Klägerin statt, mit der Begründung, dass für sie in dem Kirchenaustritt kein relevanter Verstoß gegen ihre vertraglichen Loyalitätspflicht vorliegt. Die Mitarbeiter der Caritas sind nicht nur Mitglieder der katholischen Kirche, sondern auch Mitglieder der evangelischen Kirche. Die Klägerin wird durch die Regelung in ihrer Religionszugehörigkeit im Sinne des § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz benachteiligt, weil diese lediglich für sie aber nicht für die anderen Mitarbeiter gelte. Somit stelle der Austritt nur bei der Klägerin eine schwerwiegende Loyalitätsverletzung dar. Nach § 9 Abs. 2 AGG sei die Ungleichbehandlung auch nicht gerechtfertigt, da die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche keine unerlässliche berufliche Anforderung darstelle.
Dem hält die Kirche entgegen, dass für sie entscheidend ist, ob jemand einer anderen Religion zugehört oder sich durch einen Austritt ganz bewusst gegen die Kirche stellt. Gläubige Katholiken sehen Ausgetretene als "Abtrünnige und dem Kirchenbann verfallen" an. Laut eines damaligen Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts ist der Kirchenaustritt nach kirchlichem Recht einer der schwersten Vergehen gegen den Glauben und die Einheit der Kirche.
Die katholische Kirche hat die Grundsätze des katholischen Rechts, welche in der sogenannten Grundordnung niedergeschrieben sind, reformiert. Vor der Reformation war der Kirchenaustritt ein Kündigungsgrund. In der neuen Fassung kann jedoch von einer Kündigung abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalls diese als unangemessen erscheinen lassen.
Über die Ausnahmefälle möchte die Kirche jedoch selbst entscheiden. Sie verbietet eine Fremdbestimmung über Wesen und Auftrag der Kirche durch den Staat bei Anwendung des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechts.
Die Klägerin berief sich unter anderem darauf, dass der Kirchenaustritt etwas Stilles sei, lediglich ein Akt gegenüber der deutschen Verwaltung, von dem zwangsläufig nur das Finanzamt und die Kirchengemeinde Kenntnis erlangten. Wie bereits erwähnt, hat sich die Klägerin zu keinem Zeitpunkt öffentlich gegen die Kirche gestellt, worauf es juristisch ankommt.
Hierauf anknüpfend formulierte der 2. Senat des BAG zwei Fragen an den EuGH:
Dieser möchte zum einen wissen, ob es mit der Gleichbehandlungsrichtlinie vereinbar sein kann, wenn die Kirche verlangt, dass ihre Beschäftigten nicht austreten bzw. bei Austritt wieder eintreten. Hierbei kommt es auf den folgenden Halbsatz an: "...wenn sie von den für sie arbeitenden Personen im Übrigen nicht verlangt, dieser Kirche anzugehören und die für sie arbeitende Person sich nicht öffentlich wahrnehmbar kirchenfeindlich betätigt?".
Sofern der EuGH der Ansicht ist, dass die Kirche im Fall der klagenden Frau den Wiedereintritt verlangen kann, möchte der Senat weiterhin wissen, wie eine solche Ungleichbehandlung wegen der Religion gerechtfertigt sein kann.
Bickenbach, den 06.02.2024
Mitgeteilt von
WissMit Rebia Nayir
Dingeldein • Rechtsanwälte
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