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Keine strafrechtliche Verurteilung von AGG-Hoppern

Gesetzesnischen werden ausgenutzt - so hat sich der Begriff des AGG-Hopping etabliert: Es beschreibt eine Person, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für sich ausnutzt, um sich auf unglücklich formulierte Stellenausschreibungen zu bewerben, ohne jemals vorzuhaben, diese Stellen anzutreten. Alleiniges Ziel ist die Durchsetzung des gesetzlich normierten Entschädigungsanspruchs wegen vermeintlicher Diskriminierung bei erfolgter Absage.


Der Fall

Tatvorwurf war der Betrug wegen diverser Bewerbungen auf verschiedene Stellen, ohne diese tatsächlich antreten zu wollen. Im Nachgang soll der Betrüger regelmäßig Entschädigungen nach dem AGG geltend gemacht und sich so eine Einnahmequelle verschafft haben. Die Große Strafkammer des Landgerichts München verurteilte den Täter wegen Betruges in drei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt wurde.


Das Gericht

Der BGH hat das Urteil nunmehr am 04.05.2022 (AZ: 1 StR 138/21) aufgehoben mit der Begründung, es sei "widersprüchlich, lückenhaft und durchgreifend rechtsfehlerhaft". Der Fall wurde zurückverwiesen zur neuen Verhandlung. Dabei hätte ein absoluter Revisionsgrund bereits für die Aufhebung des Urteils ausgereicht, dennoch hat der BGH in seinem Beschluss grundlegende Ausführungen zum AGG-Hopping in Bezug auf den Straftatbestand des Betruges gemacht.


Die Begründung

Zwar hatte der EuGH nach Vorlage durch das BAG klargestellt, dass es für einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG erforderlich ist, dass der Bewerber die Stelle auch tatsächlich antreten will, da ansonsten die Geltendmachung einer Entschädigung rechtsmissbräuchlich ist (Urteil v. 28.07.2016, AZ: C-423/15). Nach Auffassung des BGH kann aus dieser Konstellation allein allerdings noch kein Betrug hergeleitet werden:

Mit dem Versenden der Aufforderungsschreiben zur Entschädigung wurde nicht über die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung getäuscht, sodass keine unwahre Tatsachenbehauptung und damit auch keine Täuschung vorliegt. Die strafrechtlichen Voraussetzungen für den Betrug liegen daher auch bei unrechtmäßiger Geltendmachung eines vermeintlichen zivilrechtlichen Anspruches nicht vor.


Fazit

Die Bewerber sind nach dem Gesetz gefordert, selbst Ansprüche geltend zu machen, da das AGG keinen Ordnungswidrigkeitentatbestand beinhaltet. Es ist daher nicht strafrechtlich zu verurteilen, auch wenn das alleinige Motiv die Entschädigung ist. Vielmehr ist das Gesetz entsprechend zu überarbeiten.



Bickenbach, den 15.11.2022

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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