ARTIKEL

Keine allgemeingültige Veränderungssperre nach Betriebsübergang

Wie so oft kommt es aufs Detail an und gerade bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB steckt der Teufel im Detail. Das am weitest verbreiteten Missverständnis dürfte die sogenannte einjährige Veränderungssperre sein. Wir klären auf, wann sie tatsächlich gilt - und wann nicht.


Kollektive Regelungen: Betriebsvereinbarungen und Tarifvertrag

Die sogenannte einjährige Veränderungssperre nach § 613a Abs. 1 BGB sieht vor, dass bestimmte kollektivrechtliche Vereinbarungen, die nicht vom gesetzlich normierten Ausnahmetatbestand erfasst sind, nach Ablauf eines Jahres nach Betriebsübergang zum Nachteil der Arbeitnehmer abgeändert werden können. § 613a Absatz 1 BGB erfasst also nur einseitige Änderungsabsichten des neuen Arbeitgebers aus Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen, die auch bei Wegfall dieser neuen kollektiven Regelungen im neuen Betrieb individualrechtlich für jeden einzelnen Mitarbeiter zunächst für die Dauer von einem Jahr fortgelten.

Merke: Auch nach Ablauf des Jahres gelten die kollektiven Vereinbarungen aus dem alten Arbeitsverhältnis im neuen fort, soweit der neue Arbeitgeber diese nicht verändert. Im neuen Betrieb können aber nach Ablauf der einjährigen Veränderungssperre einseitige Veränderungen von Seiten des Arbeitgebers vorgenommen werden, die auch zum Nachteil der Mitarbeiter wirken. Zumeist sind dann eine bestimmte Gruppe oder sogar alle Mitarbeiter betroffen, wie dies bei kollektivrechtlichen Regelungen der Fall ist.


Individualrechtliche Regelungen: Arbeitsverträge und Zusatzvereinbarungen

Individualrechtliche Vereinbarungen, d.h. arbeitsvertragliche Vereinbarungen, können sofort nach dem Betriebsübergang abgeändert werden, allerdings nur in Einvernehmen mit dem jeweiligen Arbeitnehmer oder per Änderungskündigung. Hier gilt also nicht der Bestandschutz nach § 613a Abs. 1 BGB, jedoch kann eine Vergütungsabsenkung nach gefestigter Rechtsprechung nur einvernehmlich oder aufgrund betriebsbedingter Gründe erfolgen (vgl. BAG, Urt. v. 07.11.2007 - 5 AZR 1007/06).

Merke: Eine mit dem neuen Arbeitgeber getroffene Regelung über arbeitsvertragliche Klauseln wie Urlaub oder Gehalt können also direkt nach Betriebsübergang wirksam vereinbart werden - auch zum Nachteil des betroffenen Arbeitnehmers. Er kann sich dann nach Vereinbarung nicht mehr auf die einjährige Veränderungssperre berufen, da diese ja nur für kollektivrechtliche Regelungen gilt. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer auch nicht auf eine solche Vereinbarung einlassen. Einseitig kann der Arbeitgeber hierauf nur mit einer Änderungskündigung reagieren und hier gelten die allgemein gültigen Regelungen zum Kündigungsschutz.



Bickenbach, den 23.01.2023

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.