ARTIKEL

Gesamtschuldnerausgleich zwischen Ehegatten

Wenn Ehegatten aus gemeinsamem Interesse zusammen eine Schuld eingehen, haften sie als sogenannte Gesamtschuldner. Bei einer Gesamtschuld kann der gemeinsame Gläubiger sich aussuchen, welchen seiner Schuldner er in Anspruch nimmt. Die Schuldner untereinander müssen dann im "Innenverhältnis" untereinander klären, wie sie die Schuld untereinander aufteilen. Im Regelfall werden die Verbindlichkeiten im Innenverhältnis der Schuldner untereinander nach Köpfen aufgeteilt, bei zwei Schuldnern also halbiert, bei drei Schuldnern gedrittelt etc. Gesamtschulden sind im Rechtsverkehr sehr häufig. Sie entstehen bei der Aufnahme von Darlehen, beim Abschluss von Mietverträgen, bei gemeinsamen Buchen eines Urlaubs, beim Kauf eines Autos, einer Immobilie etc.

Zivilrechtlich gibt es zunächst keine Besonderheiten, wenn Ehegatten eine Gesamtschuld aufnehmen. Allerdings wirtschaften Eheleute während des Bestandes ihrer Ehe nicht immer wie nüchtern kalkulierende Geschäftsleute. Sie organisieren ihre Finanzen häufig so, wie es die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben oder wie es praktisch ist. Hat sich das Einkommen eines Partners stark reduziert, weil er oder sie sich um die Kinder kümmert, zahlt eben der andere den Hauskredit. Oder über das Konto des einen Partners laufen die "großen monatlichen Abbuchungen", während der andere sich um den Lebensmittelkauf kümmert und den Urlaub bezahlt. Solange die Ehe intakt ist, bestehen daher in der Regel keine Gesamtschuldnerausgleichsansprüche, sie werden von der ehelichen Lebensgemeinschaft "überlagert". Ansprüche entstehen dann frühestens mit der Trennung, wenn nämlich die Lebensgemeinschaft endet und die ehemaligen Partner ihre Finanzen neu sortieren müssen. Es muss dann neu geklärt werden, wer welche Zahlungen leistet. Oft werden die Verbindlichkeiten auch bei der Berechnung von Unterhaltsansprüchen berücksichtigt. Auch dann findet zunächst noch kein Gesamtschuldnerausgleichsanspruch statt.

Wenn Gesamtschuldnerausgleichsansprüche bestehen, kann Zahlung an den Gläubiger verlangt werden oder Erstattung im Innenverhältnis.

Ein Sonderproblem, mit dem sicher kürzlich das Oberlandesgericht Hamm beschäftigen musste (OLG Hamm, Beschluss vom 15.04.2021, 5 UF 155/20), besteht dann, wenn die Ehegatten gar nicht im gemeinsamen Interesse ein Darlehen aufnehmen, sondern sich ein Ehegatte nur aus emotionaler Verbundenheit (mit-)verpflichtet hat. Klassische Fälle sind, wenn ein Partner ein Darlehen des anderen umschuldet oder ein Gewerbe oder eine Immobilie des anderen mitfinanziert oder hierfür ein Darlehen aufnimmt. In solchen Fällen geht das Darlehen wirtschaftlich eigentlich nur den anderen an. Dieser kann aber das Darlehen allein aber nicht bekommen, oder erhält bessere Konditionen, weil der andere Partner mithaftet. In solchen Fällen geht die Rechtsprechung, auch das OLG Hamm, nicht von einer Gesamtschuld aus, sondern von einem stillschweigenden Auftrag: der eine Partner nimmt für den anderen die Schuld auf sich, obwohl er von dem hierdurch erlangten Vorteil nichts hat. Scheitert die Ehe, hat der andere Partner die Wahl, wie er die Schuld erfüllt: er kann Zahlung an die Bank leisten, den Geldbetrag hinterlegen, Zahlung an den Darlehensnehmer leisten etc.

Vorsicht: Der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich entsteht mit Kenntnis von der Schuld, nicht erst, wenn einer der Schuldner gezahlt hat. Man darf also nicht ewig warten, sondern muss, auch wenn man noch keine Zahlung an den Gläubiger geleistet hat, von seinem Mitschuldner verlangen, dass dieser einen freistellt oder seinen Teil beiträgt und notfalls klagen, um eine Verjährung zu verhindern. Gesamtschuldnerausgleichsansprüche verjähren binnen drei Jahren vom Ende des Jahres an, in dem die Gesamtschuld fällig wurde. Zum Beispiel: Die Bank fordert im April 2019 Zahlung. Dann verjährt der Anspruch zum 31.12.2022.

Bei Eheleuten ist das Gesetz etwas freundlicher. Weil man verhindern will, dass Ehegatten einander verklagen müssen, um eventuelle Gesamtschuldnerausgleichs- oder sonstige Ansprüche vor der Verjährung zu sichern, ist die Schuld so lange gehemmt, bis die Ehe endet. Vom Tag der Rechtskraft der Scheidung an läuft die Dreijahresfrist los, egal wann während der Ehe der Anspruch entstanden ist.

Beispiel: Angenommen, die Scheidung ist am 12. April 2021 rechtskräftig geworden. Dann verjährt der Gesamtschuldnerausgleichsanspruch wegen der Forderung aus 2019 am 12. April 2024 (nicht erst am 31.12.!).



Bickenbach, den 13.04.2022

Mitgeteilt von
RA Martin Wahlers
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.