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Fallstricke in der Vermögens- und Nachlassplanung vermeiden


1. Vermögensübertragung unter Lebenden und von Todes wegen

Wenn Sie im Verlauf ihres Arbeitslebens Vermögen aufgebaut haben oder aus der eigenen Familie durch Schenkungen oder Erbschaften Vermögen erhalten haben, verfügen Sie damit über ein beruhigendes Polster, um damit ihren Lebensunterhalt auch im Fall von Alter, Krankheit und Pflegebedürftigkeit zu finanzieren. Falls Sie damit über mehr Vermögen verfügen, als Sie für sich verbrauchen können oder wollen, werden Sie sich womöglich die Frage stellen, wem Sie dies zuwenden wollen. Außerdem werden Sie wünschen, dass möglichst viel von Ihrem Vermögen bei den bedachten Personen oder Institutionen ankommt.

Auf den ersten Blick sind das juristisch keine besonders problematischen Fragen: Wenn Sie Ihr Vermögen bis zu Ihrem Tod behalten wollen, erklären Sie in einem Testament oder Erbvertrag, wer Ihre Erben sein sollen, bzw. wer Vermächtnisse bekommen soll. Sollten Sie bereits zu Lebzeiten Vermögen übertragen wollen, erledigen Sie das durch eine Schenkung. In der Praxis ergeben sich die Schwierigkeiten aber in der Regel daraus, dass bei Erbschaften und Schenkungen bestimmte gesetzliche Regelungen greifen, die sie bei ihrer Planung berücksichtigen müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Im schlimmsten Fall kann es sogar passieren, dass sich eine gut gemeinte Vermögensübertragung für die Bedachten zu einem existenzbedrohenden Problemfall entwickelt.

Für die Planung gibt es nicht die eine Patentlösung, sondern verschiedene Lösungsansätze, die nicht für alle Einzelfälle gleich gut passen und sich sogar widersprechen können. Ich möchte Ihnen in diesem Artikel ein paar klassische Problemfelder und mögliche Lösungen vorstellen.


2. Erbschafts- und Schenkungssteuer

Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen unterliegen der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Je nachdem, wie nahe Sie dem Erblasser, Vermächtnisgeber oder Schenker verwandtschaftlich und familiär stehen, sind Sie in eine der drei Steuerklassen einzugruppieren und Ihnen stehen höhere oder niedrige Steuerfreibeträge zur Verfügung. So gehören Ehegatten und Kinder - auch Stiefkinder – zur Steuerklasse 1. Jeder Ehegatte hat einen Freibetrag von 500.000 €, jedes Kind oder Stiefkind einen von 400.000 €. Die Steuersätze liegen zwischen 7 % und 30 % Geschwister gehören zum Beispiel in der Steuerklasse 2, unverheiratete Lebensgefährten und einander gänzlich „fremde“ Personen in die Steuerklasse 3. Personen der Steuerklasse 2 und 3 steht ein Freibetrag von jeweils nur 20.000 € zur Verfügung. Die Steuersätze betragen bei Personen der Steuerklasse 2 zwischen 15 % und 43 %, bei Personen der Steuerklasse 3 beginnen diese schon bei 30 % und steigen bis auf 50 %. Es kann also durchaus passieren, dass der Fiskus große Teile des Vermögens, das diese Freibeträge übersteigt, einzieht. Das ist bei Geldgeschenken ärgerlich, weil ein Teil des zugewandten Betrages an den Fiskus abgegeben werden muss. Wirklich problematisch kann die Steuer aber werden, wenn Sie keine liquiden Werte übertragen, sondern beispielsweise eine Immobilie. Muss ihr Empfänger Steuern bezahlen und hat er oder sie nicht das notwendige Kapital auf der hohen Kante, müsste schlimmstenfalls die Immobilie belastet oder gar verkauft werden.

Wie können Sie das verhindern? Sie könnten beispielsweise die Zuwendungen auf mehrere Personen aufzuteilen und so mehrere Freibeträge ausnutzen. Sie können die Freibeträge auch mehrfach für ein und dieselbe Person ausnutzen. Es ist nämlich so, dass sämtliche Schenkungen, Vermächtnisse oder Erbschaften, die Sie einer Person in einem Zeitraum von 10 Jahren zuwenden, zusammengerechnet werden. Nach Ablauf dieses 10 Jahres-Zeitraums fängt man steuerlich wieder bei Null an. Es lohnt sich daher, seine Nachlassplanung bei größeren Vermögen zu Lebzeiten und deutlich vor dem Alter zu beginnen. Bei Immobilien kann man den steuerlichen Wert des übertragenen Gegenstandes beispielsweise auch dadurch reduzieren, dass man sich Rechte vorbehält, zum Beispiel ein Wohnung- oder Nießbrauchsrecht.


3. Pflichtteilsansprüche

Sowohl bei Erbschaften als auch bei Schenkungen kann es passieren, dass noch andere Personen als der Fiskus Ansprüche anmelden. Grundsätzlich können Sie Ihr Vermögen schenken und hinterlassen, wem Sie wollen und müssen dabei auch nicht im Blick behalten, wer von Gesetzes wegen zum Kreis ihrer Erben gehört. Sie müssen auch Ihren Ehepartner oder Ihre Ehepartnerin, Ihre Kinder oder Ihre Eltern nicht bedenken, weder unter Lebenden (Schenkung) noch von Todes wegen (Erbschaft, Vermächtnis)

Ehepartner, Eltern und Abkömmling (Kinder, Enkel, etc.) gehören aber zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten. Das bedeutet, dass sie keinen direkten Anspruch auf Schenkungen oder ihr hinterlassenes Vermögen haben. Der Pflichtteilsanspruch gibt ihnen aber das Recht, Anspruch auf einen Teil des von ihnen hinterlassenen Vermögens zu erheben, gerade weil sie weniger erhalten haben als gesetzlich vorgesehen, oder gleich gar nichts. Hierbei wird auch berücksichtigt, was an Vermögen „kurz“ vor dem Tod abgeflossen ist. Das kann geschenktes Bargeld betreffen, die durch eine Bezugsberechtigung übertragene Lebensversicherung, das geschenkte Haus, den Verzicht auf eine Darlehensforderung etc. Pflichtteilsansprüche entstehen erst nach ihrem Tod. Ihre Erben müssen dann auf Anforderung den Pflichtteilsberechtigten über den Nachlass und die vor dem Tod erfolgten Vermögensübertragungen Auskunft erteilen. Das gilt selbst dann, wenn Sie beispielsweise ihre Kinder gar nicht wirklich „enterben“ wollten, sondern beispielsweise ein Berliner Testament errichtet haben. Ein Berliner Testament ist eine besondere Form des gemeinschaftlichen Testaments, bei dem Ehepartner sich zunächst gegenseitig als Erben einsetzen und zusätzlich auch für den zweiten Todesfall bereits eine Regelung treffen. Auch wenn Sie z.B. Ihre Kinder zu Erben einsetzen, wenn auch der zweite der Ehepartner verstorben ist, stellen Sie damit klar, dass sie im 1. Todesfall eben nichts erben sollen. Sie sind enterbt, und können ihren Pflichtteil geltend machen.

Pflichtteilsansprüche lassen sich nur durch einen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag sicher verhindern. Wenn Sie ansonsten verhindern wollen, dass ihre Kinder schon nach dem Tod des Ersten von Ihnen Ansprüche stellen, bieten sich sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln an. Hierbei wird den Kindern die Enterbung auch im zweiten Todesfall angedroht, sollten sie ihren Pflichtteil geltend machen. Eine Sicherheit vor dem Pflichtteil bieten diese Klauseln aber natürlich nicht.

In einem Testament oder Erbvertrag das Vermögen durch Vermächtnisse zu reduzieren, bringt nichts. Denn der Pflichtteilsanspruch richtet der Höhe nach dem Vermögen, das in der Sekunde Ihres Todes vorhanden war. Ob es sich danach verringert hat oder gestiegen ist, spielt in den meisten Fällen keine Rolle, von bestimmten Nachlassverbindlichkeiten wie Beerdigungskosten, Schulden etc. einmal abgesehen.

Wenn sie nicht verhindern können, dass eventuelle pflichtteilsberechtigte Personen den Pflichtteil verlangen, stellt sich die Frage, ob Sie nicht durch lebzeitige Vermögensübertragungen den Pflichtteil reduzieren können. Das ist tatsächlich möglich, denn je länger sie nach der Vermögensübertragung noch leben, desto weniger vom ursprünglichen Schenkungsbetrag wird bei der Pflichtteilsberechnung noch berücksichtigt. War die Schenkung z.B. ursprünglich 100.000 € wert, könnte der oder die Berechtigte seinen Pflichtteil nach nur einem Jahr schon nur noch aus 90.000 € berechnen, nach 5 Jahren aus 50.000 €. Nach 10 Jahren ist die Schenkung gar nicht mehr zu berücksichtigen. Liquides Vermögen wie Geld, Schmuck, Wertsachen etc. ist recht leicht zu übertragen. Bedenken Sie dabei aber immer die Erbschaftsteuer.

Vorsicht! Sie sollten sich auch darüber Gedanken machen, ob sie die Schenkung unter eine sogenannte Anrechnungsbestimmung stellen. Das bedeutet, dass die beschenkte Person das Geschenk zwar erhält, im Erbfall oder jedenfalls für den Fall, dass Sie diese später auch einmal auf den Pflichtteil setzen möchten, würde diese Schenkung aber auf den späteren Anspruch angerechnet. Diese Überlegung liegt Ihnen gerade bei Ihren Kindern vermutlich fern. Sie ist aber wichtig, weil sie nicht später einseitig durch Sie nachgeholt werden kann, zum Beispiel im Testament. Haben Sie sich eine Anrechnung nicht vorbehalten und enterben sie das Kind später, muss es sich dieses Geschenk nicht auf sein Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen.

Können Sie auch eine Immobilie zu Lebzeiten übertragen, um den Pflichtteil zu mindern? Ja, auch die Übertragung der von ihnen bewohnten Immobilie auf ihre Kinder mindert, ganz wie die Übertragung von Bargeld, zehn Jahre lang Jahr für Jahr den Pflichtteilsanspruch. Bedenken Sie aber: wenn Sie Ihre Immobilie auf andere übertragen, sind künftig diese die Eigentümer und damit auch die „Herren im Haus“. Das ist gerade bei Ihrer selbst bewohnten Immobilie misslich, weil sie natürlich nicht im Zuge der Nachfolgeplanung ihre eigene Wohnung verlieren oder gegenüber den eigenen Kindern als Bittsteller auftreten wollen. Hier gibt es auf den ersten Blick recht einfache Lösungen, die Ihnen schon aus dem vorherigen Abschnitt bekannt sind, nämlich der Vorbehalt eines Nießbrauchs-, oder Wohnungsrechts. Durch solche sogenannten Auszugsrechte behalten sie sich auch nach der Übergabe weiterhin die Möglichkeit vor, weiterhin in ihrem Haus zu leben oder gegebenenfalls Mieteinkünfte daraus zu erzielen. Ist das eine Patentlösung? Nein. Lassen Sie sich aber ein solches Nießbrauchsrecht eintragen oder behalten sich das Wohnungsrecht an einem Großteil der Immobilie vor, lassen Sie diese Immobilie im juristischen Sinne trotz der Eigentumsübertragung an die Kinder nicht wirklich los, sodass auch die Zehnjahresfrist nicht zu laufen beginnt. Es kommt sehr auf Ihren Einzelfall an, welche Rechte sie sich vorbehalten wollen und können. Hier müssen Sie womöglich Kompromisse eingehen.

Wichtig: Bei Übertragungen zwischen Ehegatten beginnt die Zehnjahresfrist nie zu laufen. Es hilft also pflichtteilsrechtlich häufig nicht, ihrem Ehemann oder Ihrer Ehefrau Vermögen zuzuwenden.


4. Pflegebedürftigkeit

Mit Blick auf eine eventuelle spätere Pflege ist eine weitere Zehnjahresfrist zu beachten und mit ihr ein weiterer Problemkreis. Ihr Vermögen soll Ihnen in ihrem Alter und auch in der Pflegesituation zum Unterhalt dienen. Wenn Sie aus steuerlichen Gründen, zur Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen oder einfach zur Regelung ihrer Angelegenheiten zu Lebzeiten Vermögen auf andere übertragen, ist das Ihr gutes Recht und hat mit der Pflege im Prinzip erst einmal nichts zu tun. Das ist aber dann doch der Fall, wenn Ihr Vermögen im Pflegefall zur Neige gehen sollte.

Reicht das Geld nicht mehr aus und haben sie kurz zuvor - und „kurz zuvor“ bedeutet auch in diesem Fall 10 Jahre - Vermögen übertragen, können Sie entweder die Rückübertragung des Vermögens verlangen oder jedenfalls, dass der Empfänger Ihnen die Pflege so lange weiterbezahlt, wie sie gepflegt werden müssen oder aber bis der Wert des Geschenks erschöpft ist. Sie selbst werden hieran persönlich kein Interesse haben, zumal ja letztlich der Sozialstaat Ihre Pflege finanzieren muss, wenn Sie kein Geld mehr haben. Der Gesetzgeber hat dies aber vorhergesehen und den Sozialhilfeträgern die Möglichkeit eingeräumt, diese Ansprüche auf sich überzuleiten und für Sie geltend zu machen. Von dieser Möglichkeit wird auch in der Praxis Gebrauch gemacht, und die Beschenkten erhalten früher oder später unangenehme Post vom Sozialamt.

Diese Situation kann für die Empfänger des Vermögens existenzbedrohend sein. Genauso wie beim Sparen von Steuern oder dem Reduzieren von Pflichtteilsansprüchen ist es weniger tragisch, wenn Geld zur Verfügung steht, um die Forderungen zu begleichen. Gerade bei Immobilienübertragungen ist das aber häufig nicht der Fall. Das Sozialamt darf aber davon ausgehen, dass die Immobilie, so wie sie Ihnen zugeflossen ist, liquides Vermögen darstellt. Können Sie die Pflege nicht bezahlen, müssen Sie die Immobilie zurückgeben. Ein „Horrorbeispiel“, das in der Praxis gar nicht so selten ist, ist das einer jungen Familie, die von den Großeltern oder Eltern eine Immobilie übertragen bekommen hat. Sie nimmt Bankdarlehen auf und baut die Immobilie aus, um für sich, die Kinder und ggf. die Übergeber ein Familienheim zu schaffen. Sollten die Übergeber dann vor Ablauf von zehn Jahren kein Geld mehr für ihre Pflege haben, wird die junge Familie vielfach nicht in der Lage sein, diese zu finanzieren. Und die Immobilie zurückzugeben, ist auch keine wirkliche Option mehr. Auch wenn es in Ihrem Fall nicht zu einer solchen Katastrophe kommen kann: Sie und die beschenkte Person müssen bei Ihrer Planung den Fall im Blick behalten, dass das Ihnen verbliebene Vermögen gegebenenfalls für die Pflege nicht mehr ausreicht.

Ich hatte in den vorangegangenen beiden Abschnitten schon auf die Möglichkeit hingewiesen, sich an übertragenen Immobilien ein Nießbrauchs- oder Wohnungsrecht vorzubehalten. Sowohl beim Sparen von Steuern als auch beim Reduzieren von Pflichtteilsansprüchen können diese ein gutes Gestaltungsmittel sein. Mit Blick auf die Finanzierung der Pflege können sie allerdings problematisch werden. Denn selbst wenn die Übertragung der Immobilie bereits mehr als zehn Jahre zurückliegt, bestehen die Auszugsrecht weiter fort und sind erhebliches Geld wert. Ob das Sozialamt hieraus Ansprüche gegen die neuen Eigentümer stellen kann, hängt sehr vom konkreten Einzelfall ab.


5. Fazit

Die Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten ist häufig ein probates Mittel, um unerwünschte Geldabflüsse zu verhindern. Bei ihrer Vermögensplanung und der konkreten Gestaltung ergeben sich hieraus aber Sonderprobleme, die Sie kennen müssen, um auch wirklich das von Ihnen gewünschte Ergebnis zu erzielen. Wie Sie gesehen haben, kann die Gestaltung sehr unterschiedlich aussehen, je nachdem, ob Sie Steuern sparen, Pflichtteile reduzieren oder Fehler für den Fall späterer Bedürftigkeit vermeiden wollen. Anwaltlicher Rat in Form einer Erstberatung ist in solchen Fällen nicht teuer, sondern kann erhebliche Vermögensschäden in Zukunft verhindern.

Eine Beratung kann auch sehr sinnvoll sein, falls Sie in der Vergangenheit bereits Vermögen übertragen oder empfangen haben. Viele der Probleme wurden bei der Gestaltung von Altverträgen nicht hinreichend beachtet, weil sich die Gesetze und die Rechtsprechung seither geändert haben. Sollten sich in Ihrem Vertrag „Fallen“ befinden, sollten Sie darauf vorbereitet sein. Und: Solange alle Beteiligten noch leben, kann man diese womöglich noch sehr einfach beheben.



Bickenbach, den 01.11.2021

Mitgeteilt von
RA Martin Wahlers
Dingeldein • Rechtsanwälte

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