Urteile Sozialrecht



Sozialversicherungspflicht für Gesellschafter-Geschäftsführer

Im Jahr 2015 hat das Bundessozialgericht seine bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit bei Gesellschafter-Geschäftsführern geändert. Für viele Geschäftsführer von GmbHs, die bislang als Selbständige angesehen wurden, bedeutet die neue Rechtsprechung, dass diese nun als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte angesehen werden. Für die Gesellschaften bedeutet die neue Rechtsprechung, dass es im Rahmen von Betriebsprüfungen zu ganz erheblichen Nachzahlungen kommen kann.

Geschäftsführer einer GmbH, die gleichzeitig Gesellschafter sind, wurden in der Vergangenheit in den meisten Fällen nicht als Beschäftigte sondern als Selbständige angesehen. Dies galt insbesondere auch für solche Gesellschafter, die nicht über 50 % der Gesellschaftsanteile oder mehr verfügten. Nach der bis letztes Jahr gültigen "Kopf und Seele-Rechtsprechung" des Bundessozialgerichtes waren auch Minderheitsgesellschafter, die als Geschäftsführer tätig waren, als Selbständige anzusehen. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer, die zwar nur über einen geringen Teil der Anteile an der Gesellschaft verfügten, sollten nach der alten Rechtsprechung dennoch wie Selbständige behandelt werden, wenn diese ein besonderes Fachwissen oder besondere Kundenkontakte hatten, ohne die die Gesellschaft nicht existieren konnte. Auch Geschäftsführer, die in enger familiärer Verbundenheit zu den Gesellschaftern standen und faktisch die Geschäfte ohne jegliche Weisung durch die Gesellschafter geführt haben, waren nach dieser Rechtsprechung als Selbständige anzusehen.

In mehreren Urteilen vom 29.07.2015 und vom 11.11.2015 hat das Bundessozialgericht sich von der bisherigen Rechtsprechung abgewandt. Maßgeblich ist nach der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes nur noch, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer Beschlüsse der Gesellschaft verhindern kann oder nicht. Beschlüsse verhindern kann ein Gesellschafter-Geschäftsführer nach dieser Rechtsprechung nur dann, wenn er über einen Gesellschaftsanteil von 50 % oder mehr verfügt oder wenn im Gesellschaftsvertrag z.B. eine Sperrminorität vereinbart wurde. Vereinbarungen über eine Sperrminorität oder andere Stimmrechte außerhalb des Gesellschaftsvertrages lässt das Bundessozialgericht nicht gelten. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der nur Minderheitsgesellschafter ist, soll selbst dann nicht als Selbständiger gelten, wenn er der Gesellschaft erhebliche Darlehen oder Bürgschaften gewährt hat und damit ein sehr hohes Unternehmerrisiko trägt.

In Folge dieser Rechtsprechung werden nun Betriebsprüfungen durch die zuständigen Rentenversicherungsträger durchgeführt. Stellt sich heraus, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer weder Geschäftsanteile von 50 % oder mehr besitzt und auch keine Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag vereinbart ist, führt dies dazu, dass der betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer nicht als Selbständiger sondern als versicherungspflichtiger abhängig Beschäftigter berücksichtigt wird. Die Versicherungspflicht wiederum führt dazu, dass die GmbH für den Gesellschafter-Geschäftsführer im schlimmsten Fall rückwirkend für die letzten vier Jahre Sozialversicherungsbeiträge abführen muss. Hinzu kommen Säumniszuschläge, die nur dann entfallen, wenn die Verantwortlichen der GmbH nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt haben. In den meisten Fällen wird zumindest grobe Fahrlässigkeit angenommen, denn die Beteiligten hätten durch ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren den Status des Gesellschafter-Geschäftsführers klären können.

Bei einem Bruttoentgelt in Höhe von 5.000,00 € pro Monat kann eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von ca. 25.000,00 € pro Jahr anstehen, für vier Jahre ergibt sich ein Betrag in Höhe von ca. 100.000,00 €. Hinzu kommen Säumniszuschläge in Höhe von weiteren etwa 30.000,00 €. In der Regel kann die GmbH die zu zahlenden Beiträge nicht vom Gesellschafter-Geschäftsführer ersetzt verlangen, da ein unterbliebener Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden darf, außerdem sind Pfändungsfreigrenzen zu beachten. Bescheide der Rentenversicherung sollten aber dennoch überprüft werden, da bei Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze gegebenenfalls Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entfallen, außerdem können sich Betroffene in bestimmten Fällen, z.B. bei Vorliegen von früheren Entscheidungen der Rentenversicherung zur Selbständigkeit, auf Vertrauensschutz berufen.

Betroffene Gesellschaften sollten ihre Gesellschaftsverträge möglichst umgehend abändern, um wenigstens für die Zukunft nicht mehr der Beitragszahlung ausgesetzt zu sein. Bei Gründung einer Gesellschaft oder Neueinstellung eines Geschäftsführers kann zudem ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund eingeleitet werden, um den Status des Geschäftsführers von Anfang an zu klären.

Mitgeteilt von
RA Peer Frank
Dingeldein • Rechtsanwälte

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