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Wie lässt sich ein Behandlungsfehler nachweisen?

Sucht ein Patient einen Arzt in der Praxis auf, kommt regelmäßig hierdurch ein Behandlungsvertrag zustande. Der Behandelnde kann auch ein Pfleger, eine Hebamme oder Krankenschwester als auch ein Heilpraktiker, Therapeut und anderer im Gesundheitswesen Tätiger sein.

Bei der Behandlung muss der Arzt sich stets an den aktuellen fachlichen Standard halten. Weicht er hiervon ohne Einwilligung des Patienten ab, stellt dies einen Behandlungsfehler dar. Nach dem Zivilrecht handelt es sich konkret um eine Pflichtverletzung (§ 280 Absatz 1 BGB) aus dem Behandlungsvertrag (§§ 630a ff. BGB) vor. Für den hieraus entstehenden Schaden haftet der Arzt.

Besteht Grund zur Vermutung, von einem Behandlungsfehler betroffen zu sein, müssen Patienten das nicht einfach so hinnehmen, sondern können ihre Ansprüche selbst geltend machen, denn jeder Patient hat das Recht, seine Behandlung juristisch sowie medizinisch auf Fehler hin überprüfen zu lassen.


Welche Arten von Behandlungsfehlern gibt es?

Verletzen Ärzte oder anderweitiges behandelndes Personal die medizinischen Standards bei der Behandlung eines Patienten, so können sich diese Fehler in verschiedenen Behandlungsbereichen begründen. Folgende Fehlbehandlungen lassen sich hierbei unterscheiden:

  • Aufklärungsfehler bei ungenügender Aufklärung des Patienten bezüglich Ablaufs, Risiken und Alternativen einer Operation
  • Anamnesefehler bei unzureichender Befragung des Patienten
  • Befunderhebungsfehler
  • bei unvollständiger Klärung vorliegender Befunde
  • Diagnosefehler bei Falschdiagnose zum Nachteil des Patienten
  • Bedienungsfehler bei Verursachung von Gesundheitsschäden aufgrund unsachgemäßer Verwendung technischer Hilfsmittel
  • Überweisungsfehler bei nicht rechtzeitiger Überweisung eines Patienten an einen Spezialisten
  • Übernahmeverschulden bei Überschreitung der fachlichen Kompetenz oder unzureichender zur Verfügung stehenden Ausstattung
  • Operationsfehler bei gesundheitlichen Beschwerden des Patienten aufgrund eines Fehlers oder einer Fehlentscheidung während einer Operation
  • Hygienefehler bei Missachtung verbindlicher Hygienevorschriften und daraus folgenden gesundheitlichen Beschwerden
  • Dokumentationsfehler bei Unvollständigkeit oder Fehlen der Patientenakte
  • Pflegefehler bei fehlerhafter Behandlung des Pflegefachpersonals
  • Nachsorgefehler bei schadhafter, unzureichender oder unterlassener Kontrolle des Genesungsprozesses


Beweislast des Patienten

Die Patienten müssen einen Behandlungsfehler zunächst beweisen und den Schaden, der ihnen durch diesen Fehler entstanden ist, belegen, denn sie tragen grundsätzlich die volle Beweislast (§ 630h BGB). Allerdings besteht zum Beispiel bei unvollständiger Dokumentation, unzureichender Aufklärung oder fehlendem Einverständnis Beweislastumkehr. Zum Ausgleich immaterieller Schäden könnten Betroffene einen Anspruch auf Schmerzensgeld, zur Kompensation materieller Schäden einen Schadensersatzanspruch geltend machen.

Der behandelnde Arzt ist den Patienten zur Auskunft verpflichtet (§ 630c I BGB). Dazu haben diese das Recht, jederzeit Einblick in ihre Patientenakte zu erhalten (§ 630g BGB). Um einen Nachweis des Behandlungsfehlers darlegen zu können, wird in der Regel ein medizinisches Sachverständigengutachten benötigt. Hierzu ist erster Kontakt zur Krankenkasse hilfreich, um sich von den zuständigen Mitarbeitern über Patientenrechte sowie über die Leistungen der Krankenkasse selbst im Falle eines Behandlungsfehlers informieren zu lassen.

Ratsam ist zudem, eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Hierdurch erhalten die Patienten nochmals Sicherheit, bevor sie sich von einem spezialisierten Juristen rechtlich beraten lassen.


Außergerichtliches Verfahren



Möglichkeit eines kostenfreien Sachverständigengutachtens

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) sowie Gutachterkomissionen oder Schlichtungsstellen der Ärztekammern ermöglichen Patienten, bei Behandlungsfehlerverdacht ein kostenfreies Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Somit kann vorerst geklärt werden, ob überhaupt ein Behandlungsfehler vorliegt. Die ärztliche Behandlung wird hierbei aus medizinischer Sicht begutachtet und schriftlich beurteilt. Daneben existiert die unabhängige Patientenberatung, bei der sich die Bürger kostenlos und anonym telefonisch oder online bezüglich ihres Anliegens beraten lassen können.


Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens

Für betroffene Patienten besteht neben den kostenlosen Diensten auch die Möglichkeit, im Wege eines Privatgutachtens den Verdacht auf einen Behandlungsfehler über einen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Zum einen haben die Patienten hierbei Einfluss auf die Auswahl des Sachverständigen, zum anderen müssen die privatgutachterlichen Kosten jedoch von diesen selbst getragen werden. Dies gilt auch für Rechtsschutzversicherte.


Gerichtliches Verfahren

Sollte es zu keiner außergerichtlichen Einigung und somit zum Beschreiten des Klagewegs kommen, wird erneut ein Gutachten durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen eingeholt. Dieser Sachverständige ist bezüglich des Fachgebiets besonders qualifiziert und handelt aufgrund der Vereidigung unabhängig und unparteiisch. Somit fällt das gerichtliche Gutachten als neutrale Tatsachenfeststellung und Ursachenermittlung aus. Das Gericht ist in der Auswahl des Sachverständigen frei. Besteht eine Einigung zwischen den Parteien bezüglich der Sachverständigenauswahl, kann diese vom Gericht berücksichtigt werden.


Verjährung eines Behandlungsfehlers

Binnen drei Jahren müssen Sie als geschädigter Patient einen Behandlungsfehler nachweisen. Diese Frist ergibt sich dabei aus § 195 BGB und entspricht der Regelmäßigkeit. Diese Verjährungsfrist beginnt erst zu laufen, wenn ein Patient ausreichenden Kenntnis von einem Behandlungsfehler hat oder das Vorliegen eines solchen hätte erkennen können. Nach diesem Fristablauf sind sämtliche Ansprüche auf eine Entschädigung gegenüber dem Behandelnden verjährt. Es ist allerdings möglich, auch für zukünftige Schäden beim zuständigen Gericht einen sogenannten Feststellungsantrag zu stellen, um eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre zu erreichen.



Bickenbach, den 21.09.2020

Mitgeteilt von
Praktikantin Thalia Schneider
Dingeldein • Rechtsanwälte

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