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Was Arbeitgeber zur Vergütung von Kinderkrankentagen wissen müssen

Ein Arbeitgeber muss nicht in jedem Fall den Arbeitslohn fortzahlen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung aufgrund der Betreuung eines kranken Kindes nicht erbringen kann.


Regelung des § 616 S. 1 BGB

Ist der Arbeitnehmer für eine nicht erhebliche Zeit wegen personenbedingter Gründe an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, so muss der Arbeitgeber nach § 616 S. 1 BGB den Lohn fortzahlen.

Das Leistungshindernis kann in der Unzumutbarkeit liegen, ein erkranktes Kind, das das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat ohne Betreuung zu Hause zu lassen. Der Arbeitnehmer ist dann nach § 45 III 1 SGB V von der Arbeitspflicht befreit, wenn das Kind gesetzlich versichert ist. Vorbezeichnete Unzumutbarkeit und damit auch das Leistungshindernis entfällt jedoch, sobald das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet hat.

Weil sich die zur Befreiung von der Arbeitspflicht führende Unzumutbarkeit aus den persönlichen Umständen des Arbeitnehmers ergibt und ein subjektives und persönliches Leistungshindernis darstellt, kann das Vorliegen eines personenbedingten Grundes bejaht werden. Ist der Arbeitnehmer auch aus einem anderen Grund nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, beispielsweise weil er sich im Urlaub befindet, greift § 616 S. 1 BGB dagegen nicht ein. Es darf also kein anderer Grund hinzutreten.

Interessant für den Arbeitgeber im Rahmen des § 616 S. 1 BGB ist wohl insbesondere die Dauer der Leistungsverhinderung bei fortbestehendem Lohnanspruch. Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass unter einer "verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit" im Sinne des § 616 S. 1 BGB eine Dauer von bis zu fünf Tagen zu verstehen ist. Dabei ist zu beachten, dass der Anspruch auf Lohnzahlung gänzlich entfällt, wenn die Dauer der Leistungsverhinderung die vorbezeichnete Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Bei einer länger als fünf Tage andauernden Verhinderung, muss der Arbeitgeber demnach auch nicht für den Lohn der ersten fünf Tage aufkommen. Bezieht der Arbeitnehmer Kinderkrankengeld aus seiner gesetzlichen Versicherung, während er die Lohnfortzahlung nach § 616 S. 1 BGB erhält, so muss er sich nach § 616 S. 2 BGB den Betrag, den er aus der Krankenversicherung bekommen hat anrechnen lassen.


Vertraglicher Ausschluss

Wichtig für den Arbeitgeber zu wissen ist, dass § 616 BGB vertraglich ausgeschlossen werden kann. Dies folgt aus dem Umkehrschluss zu § 619 BGB, in dem geregelt ist, dass die §§ 617, 618 aus dem gleichen Untertitel gerade nicht abbedungen werden können. Der arbeits- oder tarifvertragliche Ausschluss des § 616 BGB kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen, indem beispielsweise ein abschließender Katalog von Verhinderungsfällen für die Pflicht zur Entgeltfortzahlung vereinbart wird. Arbeitgeber müssen allerdings darauf achten, dass der Ausschluss von § 616 BGB durch einseitige Formulierung in einem Individualarbeitsvertrag der Inhaltskontrolle nach § 307 I, II BGB standhält.


Regelung des § 45 SGB V

Greift § 616 BGB aufgrund einer erheblichen Länge der Verhinderungsdauer nicht ein oder wurde vertraglich ausgeschlossen, hat der Arbeitnehmer, wenn er selbst und das Kind gesetzlich versichert sind, einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung aus § 45 III 1 SGB V. Zudem besteht ein Anspruch auf Kinderkrankengeld, der sich aus § 45 I SGB V ergibt. Dieser Anspruch erstreckt sich je Elternteil gemäß § 45 II 1 und 2 SGB V auf eine Dauer von längstens zehn Tagen pro Kind. Für alleinerziehend Versicherte erhöht sich der Anspruch pro Kind auf 20 Tage im Jahr. Gibt es mehr als zwei Kinder, können je Elternteil jährlich maximal 25 Tage Krankengeld geltend gemacht werden. Alleinerziehenden steht der Anspruch für maximal 50 Tage zu.

Im Rahmen der Corona-Pandemie wurde der Anspruch auf das Krankengeld für das Jahr 2020 um jeweils fünf, für Alleinerziehende um zehn Tage erhöht. Diese Regelung wird zum 01.01.2021 jedoch wieder aufgehoben.


Privatversicherte Arbeitnehmer

Privatversicherte müssen beachten, dass ihnen vorbezeichneter gesetzlicher Anspruch auf Kinderkrankengeld nicht zusteht. Eine Absicherung betreffend die Betreuung eines kranken Kindes gibt es bei privaten Kassen häufig nicht, es sei denn es existiert ein spezieller Kinderkrankentagegeld- Tarif. Dies ist entsprechend mit der Versicherung zu klären. Fehlt ein solcher Tarif, kommt es entscheidend darauf an, ob ein Ausschluss des § 616 BGB vorgenommen wurde. Im Zweifel erfolgt dann nämlich nur eine unbezahlte Freistellung.



Bickenbach, den 23.10.2020

Mitgeteilt von
Praktikantin Antonia Buschbeck
Dingeldein • Rechtsanwälte

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