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Rechtfertigt die Übernahme des Leiharbeiters die Anrechnung der Probezeit?

Leiharbeitnehmer werden nach einer gewissen Beschäftigungsdauer von dem Entleiher gerne als Direktangestellte übernommen. Das ist vom Gesetzgeber auch so gewollt. Wirkt es sich für den nunmehr fest Angestellten positiv aus, dass er im selben Unternehmen zuvor bereits als Leiharbeiter beschäftigt war?


Geltung des Kündigungsschutzgesetzes

Das Kündigungsschutzgesetz gilt bei Betrieben mit mehr als zehn Vollzeitbeschäftigten erst ab einer Beschäftigungsdauer von über sechs Monaten. Die Frist bei Arbeitnehmern, die zuvor als Leiharbeiter im Unternehmen beschäftigt waren, beginnt unabhängig hiervon mit Beginn der Anschlussbeschäftigung als Direktangestellter. Die vorherige Tätigkeit als Leiharbeitnehmer ist nicht anzurechnen. Dabei ist es ohne Belang, wenn der Arbeitnehmer die ganze Zeit auf dem identischen Arbeitsplatz eingesetzt wurde.


Auswirkung auf Kündigungsfristen

Das hat zur Folge, dass sich die Kündigungsfristen nach dem jüngsten Arbeitsvertrag mit der Festanstellung bemessen. Verweist der Vertrag auf die gesetzlichen Kündigungsfristen, gilt für die Berechnung der Beschäftigungsdauer der Beginn des Arbeitsverhältnisses als Festangestellter. Die zuvor erbrachte Arbeit als Leiharbeitnehmer wird bei der Beschäftigungsdauer nicht mit angerechnet.


Auswirkung auf die Probezeit

Wird der Leiharbeitnehmer beim Betrieb in eine Festanstellung übernommen, so kann im neuen Arbeitsvertrag erneut eine sechsmonatige Probezeit vereinbart werden, innerhalb derer eine besonders kurze Kündigungsfrist gilt. Es bleibt unberücksichtigt, dass der Arbeitnehmer zuvor bereits als Leiharbeiter möglicherweise eine Probezeit durchlaufen hat.


gefestigte Rechtsprechung des BAG, Urteil vom 20.02.2014, AZ: 2 AZR 859/11

Die Begründung ist, dass ein Leiharbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Verleiher zustande kommt. Er übt die Arbeitgeberfunktion aus. Der Entleiher und spätere Arbeitgeber konnte während der Zeit des Leiharbeitsverhältnisses das sonst übliche Kennenlernen nicht voll erleben. Seine Beurteilung, ob eine Zusammenarbeit auf Dauer für beide Parteien in Betracht kommt, ist nur eingeschränkt gegeben. Daher soll der Arbeitgeber mit Beginn der Direktanstellung die Gelegenheit zur Erprobung des Arbeitnehmers erhalten.


Missbrauchsgefahr zu Lasten des Arbeitnehmers

Das Bundesarbeitsgericht ist in der Fragestellung sehr eindeutig und hält an dieser Rechtsprechung fest, auch wenn ein Fall Anlass gibt, an einem Missbrauch zu denken. In einem Urteil aus dem Jahr 2014 war ein Fall einer Schlecker-Mitarbeiterin beraten worden. Sie hatte vor der Insolvenz 12 Jahre in dem Unternehmen gearbeitet. Mit der Umstrukturierung im Rahmen der Insolvenz wurde sie über eine Zeitarbeitsfirma als Leiharbeitnehmerin an eine Nachfolgefirma ausgeliehen. Dort wurde sie später übernommen. Dennoch wurden die ganzen Zeiten der Vorbeschäftigung nicht berücksichtigt.


Fazit

Es herrscht somit Klarheit, dass keine Vermischung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Direktanstellung erfolgen soll. Die Übernahme von Leiharbeitnehmern in eine Direktanstellung wird damit erleichtert. Denn die Parteien können sich wie bei jedem anderen Arbeitsverhältnis auch erstmalig direkt aufeinander einlassen und können prüfen, ob man tatsächlich zusammenarbeiten will und kann.


Pro Arbeitgeber

Bürokratie wird genommen, da insbesondere der Arbeitgeber sich nicht um mögliche Vorbeschäftigungszeiten kümmern muss.


Pro Arbeitnehmer

Der Arbeitnehmer kann erfragen, ob einzelne Passagen des Arbeitsvertrages individuell angepasst werden können. So können sich die Parteien beispielsweise auf den Verzicht einer Probezeit einigen oder die Kündigungsfristen für den Arbeitgeber individualvertraglich verlängern.



Bickenbach, den 30.04.2020

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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