Es gibt diverse Angelegenheiten in einem Arbeitsverhältnis, die der Arbeitgeber nicht einseitig entscheiden kann. Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, so kann dieser stellvertretend für die Arbeitnehmer Betriebsvereinbarungen zusammen mit dem Arbeitgeber fassen. Zustimmungspflichtig sind aktuell inmitten des Coronavirus vor allem Kurzarbeit bzw. Überstundenregelungen, Homeoffice und Kündigungen.
Die betriebliche Mitbestimmung setzt voraus, dass die Betriebsratsmitglieder Beschlüsse mit der Mehrheit der Anwesenden fassen müssen. Das ist derzeit ein Problem, da Versammlungen auch in Betrieben weitestgehend vermieden werden, um die Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Wird das Amt des Betriebsrats durch die Verhängung von Homeoffice damit weitestgehend lahmgelegt?
Tatsächlich ging man bislang davon aus, dass Beschlüsse nur im Falle eines körperlichen Zusammensitzens möglich seien. Im Umkehrschluss bedeutet dass, dass Betriebsräte, die derzeit nicht real zusammen kommen können, auch keine Beschlüsse fassen können. Das wäre fatal, denn es würde de facto bedeuten, dass das Betriebsverfassungsgesetz über die Dauer des Coronavirus hinaus vollständig lahmgelegt wäre - ausgerechnet in jener Zeit, in der das Arbeitsrecht hoch brisant ist.
Es tendieren daher mittlerweile Meinungen dazu, dass nicht länger an einer Unzulässigkeit virtueller Zusammenkommen von Betriebsratsmitgliedern festgehalten werden könne. Es müsse zumindest eine Beschlussfassung per Videokonferenz möglich sein. Eine Zeit, in der Reisen und ein tatsächliches Zusammenkommen die Gesundheit einzelner Betriebsräte gefährden könnte, könne weder zu Lasten der Arbeitnehmer, noch der Arbeitgeber gehen. Gerade in einer solchen Zeit muss die Funktionsfähigkeit des gesamten Betriebes und somit auch die Zustimmung des Betriebsrats zu entsprechend betriebsverfassungsrechglichen Angelegenheiten gewährleistet werden. Ohne wirksamen Beschluss gäbe es ansonsten kein Kurzarbeitergeld, ein wirksamer Widerspruch gegen Kündigungen wäre unmöglich.
Bei virtuellen Zusammenkünften von Betriebsräten müsste vor allen Dingen sichergestellt werden, dass sich außer den Mitgliedern niemand im Raum befindet, da Sitzungen nach dem BVerfG nicht öffentlich sind. Dies kann man beispielsweise durch ein mit ID und Kennwort gesicherten Zugang in den virtuellen Raum sicherstellen, so wie es die Platform Zoom beispielsweise ermöglicht. Eine gesetzliche Ausnahme bezüglich virtueller Betriebsratsbeschlüsse gibt es indes trotz der Krisensituation noch nicht. Auch die jüngst getroffene Ministererklärung hat zwar die derzeitige Ausnahmesituation als solche erkannt und entsprechend reagiert, rechtsverbindlich ist sie indes noch lange nicht. Dabei gibt es einen enorm großen Bedarf an Rechtssicherheit - nicht, dass nach einem virtuellen Betriebsratsbeschluss ein Arbeitnehmer im Nachhinein den Arbeitgeber auf volle Entgeltzahlung verklagen kann. Dennoch könnte eine solche Klage vor dem Hintergrund des BMAS als rechtsmissbräuchlich abgewiesen werden - das ist allerdings letztlich Auslegungssache.
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RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte
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