ARTIKEL

Niemand kann Sie zwingen Bewerbungen zu schreiben - vor allem nicht Ihr alter Chef!

Ja, ich muss mich korrigieren. Eventuell kann das Arbeitsamt Sie zwingen Bewerbungen zu schreiben, aber eine Sache steht fest: Ihr alter Chef kann es nicht!

Das BAG hat in seiner jüngsten Entscheidung vom 12.02.2025 (Az. 5 AZR 127/24) noch einmal klargestellt, dass gekündigte und freigestellte Arbeitnehmer weder verpflichtet sind einer neuen Stelle nachzugehen noch aktiv Bewerbungen zu schreiben - solange Sie sich in der Kündigungsfrist befinden.

Konkret geht es um § 615 BGB. Dieser sichert dem Arbeitnehmer zum einen seine vertraglich vereinbarte Vergütung zu. Zum anderen muss er sich unter Umständen anrechnen lassen, dass er sich um anderweitige Arbeit hätte bemühen müssen und sich deshalb einen fiktiven Verdienst anrechnen lassen muss. Das BAG konkretisiert, wann solche Umstände vorliegen.


Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war als Senior Consultant beim Arbeitgeber beschäftigt. Am 29. März 2023 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. Juni 2023 und stellte den Arbeitnehmer unter Anrechnung von Resturlaub unwiderruflich frei. Die erhobene Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers war erfolgreich: ArbG und LAG erklärten die Kündigung für unwirksam.

Der Arbeitnehmer erhielt für Juni 2023 jedoch keine Vergütung mehr, so dass er diese einklagte. Der Arbeitgeber argumentierte, der Arbeitnehmer hätte sich um eine frühere Anschlussbeschäftigung bemühen müssen - unter anderem übersandte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ganze 43 Stellenangebote. Er bewarb sich allerdings erst Ende Juni 2023 auf einige dieser Stellenangebote. Der Arbeitgeber forderte daher eine Anrechnung fiktiven Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB aufgrund mangelnder Eigeninitiative des Arbeitnehmers.


Begründung

Das BAG wies die Revision des Arbeitgebers zurück und bestätigte das Urteil des LAG. Laut BAG befand sich der AG im Annahmeverzug. Nach § 615 S. 1 BGB schuldet der Arbeitgeber demnach weiterhin die vertragliche Vergütung. Eine Anrechnung des nicht erzielten Verdienstes nach § 615 S. 2 BGB sei nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer böswillig den Erwerb eines neuen Einkommens verweigert.

Eine solche Böswilligkeit sei hier nicht zu erkennen. Der Arbeitnehmer sei nicht verpflichtet bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen. Der Arbeitgeber hat eine Pflicht den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen, sofern er nicht beweisen kann, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Dies konnte der Arbeitgeber jedoch nicht nachweisen. Ein fiktiver Verdienst wird dem Arbeitnehmer nicht angerechnet.


Fazit

Arbeitnehmerrechte wurden mit dem Urteil gestärkt. Werden Sie freigestellt und befinden Sie sich in der Kündigungsfrist muss Ihr AG beweisen, dass eine Weiterbeschäftigung in dieser Zeit nachweislich unzumutbar ist. Kann er das nicht, bleibt ihr Vergütungsanspruch bestehen und Sie müssen erst nach Ende der Kündigungsfrist aktiv werden.

Es bleibt dabei: Ihr alter Chef kann Sie (im Normalfall) nicht zwingen Bewerbungen zu schreiben!



Bickenbach, den 21.07.2025

Mitgeteilt von
Praktikant Leon Grosch
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.