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Wofür ein Ehevertrag?

Eheverträge haben einen schlechten Ruf. Ihnen haftet der Geruch des Unromantischen, des Lieblosen an, als seien sie ein Beweis dafür, dass zwischen den Ehepartnern nicht alles im Lot ist. Richtig ist, dass Ehe- oder Lebenspartner "in guten Zeiten" einvernehmlich Regelungen treffen können, die Unsicherheit und Streit in einer Krise oder sogar nach Trennung und Scheidung vermeiden sollen.


1.) Die Ehe ist (auch) ein rechtliches Gebilde

Die Ehe wird definiert als die "rechtlich gefestigte Verbindung von Mann und Frau". Die Ehe ist aus Sicht der Gesellschaft also nicht nur die Gemeinschaft zwei Liebender, sondern hat zahlreiche rechtliche Folgen hat. Dass eine Ehe auch ein rechtliches Gebilde ist, dürfte allen angehenden Eheleuten spätestens anlässlich der Begrüßungsworte des Standesbeamten bewusst werden. Doch über die wirklichen Konsequenzen der Eheschließung machen sich viele erstmalig erst dann Gedanken, wenn ihre Beziehung in eine Krise gerät. Auf einmal müssen eine Reihe vermeintlicher Alltagsfragen, die bislang immer von Fall zu Fall geregelt wurden, nun anhand der geltenden Gesetze und Rechtsprechung geklärt werden.

Tenor der geltenden Rechtslage ist: die Ehegatten wirtschaften gemeinsam und jeder von Ihnen trägt nach seinen Möglichkeiten zum ehelichen Haushalt bei. Ob ein Ehepartner sich finanziell oder auf andere Art und Weise - etwa durch Haushaltsführung und/oder Kindererziehung - einbringt, spielt hiernach ebenso wenig eine Rolle, wie die Menge des heimgebrachten Geldes oder die Menge und Qualität der daheim geleisteten Arbeit.

Auch der wirtschaftlich schwächere Ehepartner hat nach dieser Logik gleichen Anteil an den in der Ehe erwirtschafteten Gütern wie der andere Ehepartner. Trotzdem kann es sein, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten unterschiedlich entwickeln. Erst wenn die eheliche Lebensgemeinschaft durch Tod, Trennung oder Scheidung endet, wird "abgerechnet".


2.) Was ist der richtige Zeitpunkt für einen Ehevertrag?

Es gibt grundsätzlich drei typische Zeiträume, in denen Eheverträge geschlossen werden:

  • vor der Ehe oder zu Beginn der Ehe (vorsorgende Eheverträge)
  • in der ehelichen Krisensituation (Krisen-Eheverträge)
  • im Hinblick auf eine in Aussicht stehende oder bevorstehende Scheidung (Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen).
Die meisten Eheverträge werden erst kurz vor Ende der Ehe geschlossen. Sie regeln dann gar nicht mehr die ehelichen Lebensverhältnisse, sondern sollen nur noch die im Zusammenhang mit der Scheidung anstehenden Fragen klären.

Den richtigen Zeitpunkt für die Errichtung eines Ehevertrages muss jeder für sich ermitteln. Ein Paar von Berufsanfängern muss sicherlich weder eine ausgeklügelte Unterhaltsvereinbarung schließen noch Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich. Schließlich ist zu Beginn der Ehe für jüngere Ehepartner selten absehbar, wie sich ihre berufliche und wirtschaftliche Zukunft entwickelt, ob sie einmal eines oder mehrere Kinder haben werden etc. Bei ihnen sind meist allenfalls einige Eckpunkte zu regeln.


3.) Was soll man regeln?

In den meisten Fällen betrifft ein Ehevertag die finanziellen Angelegenheiten der Eheleute:

  1. das Einkommen, das für die laufenden Kosten von Kindern und Ehegatten (Miete, Strom, Lebensmittel, Kleidung...) zur Verfügung steht
  2. das Vermögen, das fest angelegt ist und der Altersvorsorge oder für besondere Situationen zurückgelegt wurde
  3. die Vermögensvorteile, die die Ehegatten während ihres Erwerbslebens, während Kindererziehungszeiten etc. in Form von Rentenanwartschaften angespart haben.
Das laufende Einkommen ist Gegenstand des Unterhalts. Das Vermögen ist Gegenstand der güterrechtlichen Auseinandersetzung. Die Rentenanwartschaften werden im Versorgungsausgleich ausgeglichen.

Ein Ehevertrag kann auch Regeln für das Zusammenleben der Eheleute enthalten. Das ist allerdings kaum sinnvoll. Es wird im Fall der Fälle streitig sein, ob die Regeln überhaupt durchsetzbar sind. Im Übrigen: Sollte ein Partner auf Einhaltung der notariell beurkundeten Regeln bestehen, dürfte es bis zur Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft ohnehin nicht mehr sehr lange dauern.


Unterhaltsvereinbarungen

Es ist möglich, sich auf eine bestimmte Höhe, Dauer oder Berechnungsweise des Unterhalts zu verständigen oder unterhaltsrechtliche Regelungen an den Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Bedingungen knüpfen. So könnte man sich vertraglich einigen, dass der kinderbetreuende Ehegatte erst ab einem bestimmten Alter der Kinder verpflichtet sein soll, wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das kann im Hinblick auf eine spätere Trennung oder Scheidung sinnvoll sein, da es über diesen Punkt immer wieder Streit gibt.

Nicht möglich ist der Verzicht auf Kindesunterhalt und Trennungsunterhalt. Das Kind als das schwächste Glied soll nicht der Willkür der elterlichen Entscheidungen unterworfen sein. Der getrennt lebende und wirtschaftlich schwächere Ehepartner soll frei und ohne wirtschaftlichen Druck vergleichbar gut gestellt werden wie während der Ehe, da bis zum Scheidungsausspruch jederzeit die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft möglich sein soll.


Güterrecht

Regeln die Ehegatten ihre güterrechtlichen Beziehungen nicht in einem Ehevertrag, leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Vertraglich vereinbart werden können hingegen die Gütergemeinschaft und die Gütertrennung.

Während bei der Gütergemeinschaft sämtliches Vermögen der Ehegatten "in einen Topf" geworfen wird, bleibt bei der Gütertrennung alles fein säuberlich getrennt. In der Praxis ist der gesetzliche Güterstand am Bedeutsamsten.

Die Zugewinngemeinschaft hat während des Bestehens der Ehe nahezu die gleichen Folgen wie die Gütertrennung. Dass man Gütertrennung vereinbaren müsse, um den anderen Ehegatten vor Schulden zu schützen, ist somit ein Märchen, der Wechsel des Güterstandes allein aus diesem Grund nicht nötig. Anders als die Gütertrennung führt die Zugewinngemeinschaft aber bei der Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Tod zu einem Ausgleichsanspruch in Geld. Diesen hat der Ehegatte, der während der Ehe weniger Vermögenswerte erwirtschaftet hat als der andere. Sollten also beide Ehegatten gleich viel oder gleich wenig hinzugewonnen haben, findet auch kein Ausgleich statt.

In vielen "Normalfällen" führt der Zugewinnausgleich zu durchaus gerechten Ergebnissen. Will man hier sichergehen oder liegt ein besonderer Sachverhalt vor, ist die richtige Wahl selten die Vereinbarung von Gütergemeinschaft oder Gütertrennung sondern vielmehr eine Anpassung der Zugewinngemeinschaft an die eigenen Bedürfnisse (= "modifizierte Zugewinngemeinschaft"). Sinnvoll kann dies etwa in sogenannten Mitarbeitsfällen sein. Baut sich etwa ein junger Arzt eine Praxis auf, arbeitet aus Zeit- und Kostengründen nicht selten die Ehefrau mit. Sie leistet oft einen erheblichen Beitrag zum Erfolg der Praxis und damit zu deren Wertsteigerung. Eigentümer ist meist aber der Arzt allein. Es kann in solchen Konstellationen später große Konflikte darüber geben, ob und wie der Wert der Praxis und/oder die Mitarbeit der Ehefrau Jahre später im Zugewinnausgleich berücksichtigt werden. Damit beide von vornherein wissen, woran sie sind, sollte ein Ehevertrag geschlossen werden.


Versorgungsausgleich

Angestellte Arbeitnehmer mit "normalem" Einkommen sammeln während ihres Erwerbslebens bei der Deutschen Rentenversicherung Rentenanwartschaften in Form sogenannter Entgeltpunkte. Bei Renteneintritt werden diese dann in konkrete Rentenansprüche umgerechnet. Die während der Ehe erworbenen Entgeltpunkte müssen nach Scheidung der Ehe ausgeglichen werden: Wer während der Ehe mehr hinzugewonnen hat, muss die Hälfte des Überschusses an den anderen Ehegatten abgeben. Ehevertragliche Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich sind möglich, wenn auch nur eingeschränkt. Man kann beispielsweise nicht einfach einen höheren Ausgleich vereinbaren, da dies letztlich zu Lasten der Rentenversicherungsträger ginge. Durchaus üblich ist es, dass Ehegatten, die meinen, auf den Ausgleich nicht angewiesen zu sein, den Versorgungsausgleich per Ehevertrag ausschließen.


4.) Formfragen; Inhalts- und Ausübungskontrolle

Allen Arten von Eheverträgen ist gemein, dass sie notariell beurkundet werden müssen. Von den Vertragsparteien selbst formulierte Erklärungen haben rechtlich keinerlei Bedeutung. Es empfiehlt sich, zur Errichtung des Ehevertrags nicht nur einen Notar in Anspruch zu nehmen sondern zusätzlich die Beratung durch einen Anwalt zu suchen. Nur die parallele Beratung durch einen Anwalt gewährleistet, dass die Parteien an alles Relevante denken und sich für die Regelung entscheiden, die für jeden einzelnen Ehegatten aber auch für beide gemeinsam optimal ist. Man darf hier nicht blauäugig sein: Wer nur für sich das Optimum erreichen will, riskiert, dass der gesamte Vertrag am Ende nichtig ist:

Der Gesetzgeber hat nämlich für die eheliche Lebensgemeinschaft ein System von gesetzlichen Regelungen vorgegeben, das insbesondere den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten vor leichtsinnigen Entscheidungen oder der Willkür des Partners schützen soll. Wenn der Ehevertrag inhaltlich oder in seinen konkreten Konsequenzen zu einer Gefährdung eines der Ehegatten führt, kann er sittenwidrig und damit nichtig sein.

So soll es etwa den Parteien möglichst schwer gemacht werden, auf den Versorgungsausgleich zu verzichten, da sich dies im Rentenalter existenzbedrohend auswirken könnte und am Ende der Staat für den Verzichtenden einstehen müsste.

Auch ein Verzicht oder Teilverzicht auf den Nachscheidungsunterhalt kann sittenwidrig sein. Gerade hier wird der wirtschaftlich schwächere Partner nicht selten zu einer für ihn ungünstigen Vereinbarung gedrängt. Unwirksam ist eine solche Vereinbarung spätestens dann, wenn sie nachteilige Folgen für vom Unterhaltsberechtigten betreute Kinder hätte oder ein an sich unterhaltsberechtigter Ehepartner zur vollständigen Deckung seines Lebensunterhalts in die sozialen Sicherungssysteme "abgeschoben" wird.

Auf den Zugewinnausgleich kann in vielen Fällen hingegen recht leicht verzichtet werden.



Bickenbach, den 15.09.2022

Mitgeteilt von
RA Martin Wahlers
Dingeldein • Rechtsanwälte

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