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Wie viele Tage Urlaubsabgeltung erhält ein Arbeitnehmer, der zum 31.07. gekündigt hat?

Bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses stellen sich viele Fragen. Die betreffenden Personen sehen nur das Ziel der Kündigung vor Augen: die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus stellt sich vor allem für Arbeitnehmer die Frage, was mit dem noch nicht genommenen Urlaub geschieht. Schließlich habe man auf diesen doch mit Jahresbeginn einen Anspruch erhalten, oder?


Wie viel Urlaubstage stehen dem einzelnen Arbeitnehmer zu?

Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Gemäß § 3 Absatz 1 BUrlG beträgt der jährlich zu gewährende Urlaub mindestens 24 Werktage, wenn das Arbeitsverhältnis nach § 4 BUrlG mindestens sechs Monate besteht. Werktage im Sinne des Gesetzes sind die Tage von Montag bis Samstag, sodass ein Urlaubsanspruch von 24 Tagen bei einer 6-Tage-Woche vorliegt. Arbeitet der Arbeitnehmer in einer 5-Tage-Woche ergibt sich ein Urlaubsanspruch in Höhe von 20 Tagen. Dies ist allerdings nur der gesetzlich zu gewährende "Mindesturlaub". Zumeist finden sich in Tarif- aber auch in Arbeitsverträgen eine Sonderregelung bezüglich eines "Mehrurlaubs", wodurch die meisten Arbeitnehmer auf mehr als die gesetzlich vorgesehenen 20 Urlaubstage pro Kalenderjahr kommen.


II. Kürzung des Urlaubsanspruchs

Allerdings besteht nach § 5 BUrlG die Möglichkeit, den gesetzlichen "Mindesturlaub" bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu kürzen. Scheidet der Arbeitnehmer demnach während der sechs monatigen Wartezeit des § 4 BUrlG oder innerhalb der ersten Jahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis aus, erhält er nur einen monatlichen Teilanspruch des gesetzlichen "Mindesturlaubs". Besteht mithin das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06. des Jahres erhält der Arbeitnehmer einen Anspruch auf 6/12 Jahresurlaub, also der Hälfte des gesetzlichen "Mindesturlaubs". Läuft die Kündigungsfrist jedoch zum 31.07. des Jahres aus, findet die Regelung des § 5 BUrlG keine Anwendung. Es ist der volle Jahresurlaub zu gewähren.


III. (Rechts-)Folgen der Kündigung

Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses sind alle gegenseitigen Ansprüche abzuwickeln, d.h. alle noch offenen Forderungen zu begleichen und etwaige Gegenstände dem Arbeitgeber zurückzugeben. Unter die gegenseitigen Ansprüche fallen vor allem die noch offenen Gehaltszahlungen für die geleisteten Arbeitsstunden, aber auch der Urlaubsanspruch. Jener ist gemäß § 7 Absatz 4 BUrlG abzugelten.


IV. Anspruch aus § 7 Absatz 4 BUrlG

Der Anspruch aus § 7 Absatz 4 BUrlG auf Abgeltung des Urlaubsanspruchs entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies ist mit Ablauf der Kündigungsfrist der Fall. Dabei wandelt sich der bestehende Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers ohne jedwedes Zutun und unabhängig davon wer die Kündigung aussprach, in den Abgeltungsanspruch um. Demnach ist dem Arbeitnehmer der Geldbetrag auszuzahlen, den er entsprechend der normalen Urlaubsvergütung erhalten hätte. Der Anspruch aus § 7 Absatz 4 BUrlG kann allerdings durch tarifvertragliche Regelungen zeitlich befristet werden. Zudem ist zwischen dem gesetzlichen "Mindesturlaub" und dem vertraglichen "Mehrurlaub" zu unterscheiden. Dieser ergibt sich entweder direkt aus dem Arbeitsvertrag oder durch Verweisung auf einen Tarifvertrag. Eine Regelung im Arbeitsvertrag kann ausgehend von einer 5-Tage-Woche wie folgt aussehen:

"Der Arbeitnehmer erhält einen Jahresurlaub von 26 Arbeitstagen, bestehend aus 20 Arbeitstagen gesetzlichen Mindesturlaubs sowie weiteren 6 Arbeitstagen zusätzlichen vertraglichen Urlaubs."

7 Absatz 4 BUrlG umfasst grundsätzlich nur die Abgeltung des gesetzlichen "Mindesturlaubs". Für den vertraglichen "Mehrurlaub" ist eine gesonderte Regelung notwendig. Eine solche Regelung kann in etwa wie folgt gestaltet sein:

"Im Falle des Ausscheidens in der ersten Kalenderjahreshälfte wird der gesamte Urlaubsanspruch zeitanteilig gewährt. Im Falle des Ausscheidens in der zweiten Kalenderjahreshälfte wird der gesetzliche Mindesturlaub in vollem Umfang gewährt und der darüber hinausgehende zusätzliche vertragliche Urlaub zeitanteilig."

Allerdings wird sich eine solche zumeist in den Arbeits- bzw. Tarifverträgen nicht finden. Deshalb hat der Gesetzgeber für diese Situation die Regelung getroffen, dass der vertragliche "Mehrurlaub" mit dem gesetzlichen "Mindesturlaub" in einem Gleichklang stehe, also die gleichen Regelungen für beide Urlaubsarten anzuwenden sind. Dann findet § 7 Absatz 4 BUrlG auch auf den vertraglichen "Mehrurlaub" Anwendung.


V. Fazit

Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers ist nach Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 7 Absatz 4 BUrlG vorbehaltlich etwaiger tarifvertraglicher Regelungen in Hinblick auf den gesetzlichen "Mindesturlaub" abzugelten. Dabei ist bei einer Kündigungsfrist zum 31.07. des Jahres der volle gesetzliche "Mindesturlaub" umfasst. Für den vertraglichen "Mehrurlaub" gilt bei Nichtvorliegen einer speziellen vertraglichen Regelung die gleiche Regelung wie für den gesetzlichen "Mindesturlaub". Folglich erhält der Arbeitnehmer den vollen Jahresurlaub abgegolten.



Bickenbach, den 21.06.2022

Mitgeteilt von
WissMit Sabrina Jung
Dingeldein • Rechtsanwälte

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