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Was passiert, wenn ich beim Abfeiern von Überstunden krank werde?

Folgende Situation bedarf im Arbeitsrecht der näheren Untersuchung: Der Arbeitnehmer hat Überstunden geleistet. Er beantragt das Abfeiern dieser Überstunden, der Antrag wird vom Arbeitgeber genehmigt. Während des Überstundenabbaus erkrankt nunmehr der Arbeitnehmer. Kann er die betroffenen Überstunden erneut abfeiern?


Abgrenzung zur Krankheit während des Urlaubs

Erkrankt der Arbeitnehmer während seines Urlaubs, ist der Fall klar. Gemäß § 9 BUrlG werden die Tage, an denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist, nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Der Urlaub kann also später nachgeholt werden.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass dies auch für das Abfeiern von Überstunden gelten müsste. Schließlich hat der Arbeitnehmer auch während des Abfeierns Freizeit. Zudem erfolgt der Freizeitausgleich von Überstunden, nachdem zuvor mehr Arbeitsstunden geleistet wurden als vertraglich geschuldet. Es bestand also eine erhöhte Belastung, von der sich der Arbeitnehmer durchaus im Rahmen seines Freizeitausgleichs wieder erholen möchte. Diese erhöhte Belastung lässt sich auch heranziehen, um den Freizeitausgleich von einem normalen Wochenende und der damit einhergehenden Risikoverteilung abzugrenzen.


Höchstrichterliche Rechtsprechung

Im Rahmen dieses Problemkreises macht die Rechtsprechung den Arbeitnehmern jedoch einen Strich durch die Rechnung. Die Gerichte argumentieren, der Freizeitausgleich diene gerade nicht Erholungszwecken und sei daher auch nicht mit dem Urlaub zu vergleichen, mithin die Vorschrift des § 9 BUrlG nicht entsprechend anzuwenden. Vielmehr werde mit dem Freizeitausgleich lediglich sichergestellt, dass die regelmäßigen Arbeitszeiten eingehalten werden. Nach Auffassung der Gerichte soll also der Arbeitnehmer allein das Risiko dafür tragen, während seines Freizeitausgleichs arbeitsunfähig zu erkranken. Die Übernahme des Risikos durch die Arbeitgeber soll nur im engen Anwendungsbereich des § 9 BUrlG möglich sein. Demnach besteht also eher eine Ähnlichkeit zu dem Fall, dass ein Arbeitnehmer mit normaler fünf-Tage-Woche am Wochenende erkrankt. In einem solchen Fall ist die Nachholung des Wochenendes unstrittig ausgeschlossen.


Tarifverträge und das BAG

Diese Rechtsprechung ist vom Bundesarbeitsgericht bisher insbesondere im Zusammenhang mit tarifvertraglichen Regelungen ergangen. In seinem Urteil vom 11.09.2003 (6 AZR 374/02) stellt das Bundesarbeitsgericht allerdings auch fest, dass die Tarifverträge das Risiko des Erkrankens während des Freizeitausgleichs auf den Arbeitgeber abwälzen könnten. Hierzu bedarf es allerdings einer Regelung, die dem Arbeitnehmer den Freizeitausgleich zu Erholungszwecken verschaffen soll und dem Arbeitgeber das entsprechende Risiko aufbürdet. Nach Ansicht des Gerichts konnte ein auf diese Risikoverteilung gerichteter Wille den überprüften tarifvertraglichen Regelungen bisher nicht entnommen werden. Individualarbeitsverträge betreffend konnten die Gerichte ihre Argumentation zwar nicht auf die Auslegung der Tarifverträge stützen, sie kommen jedoch im Ergebnis bisher auch dazu, einen Anspruch auf Nachholung des Freizeitausgleichs zu verneinen.



Bickenbach, den 17.07.2024

Mitgeteilt von
WissMit Antonia Buschbeck
Dingeldein • Rechtsanwälte

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