Befindet sich auf einer zweispurigen Straße auf einer Fahrbahn ein Hindernis, ist es Gang und Gäbe, dass zur Vermeidung eines Rückstaus diejenigen Autos, die die Spur aufgrund des Hindernisses wechseln müssen, abwechselnd von denjenigen Autos, die auf der freien Spur sind, wechseln. Doch wer haftet, wenn durch einen solchen Spurwechsel ein Unfall verursacht wird?
Wer vor Engstellen die Spur wechselt, darf das nur besonders vorsichtig machen und dabei niemanden gefährden - das gilt auch beim Reißverschlussverfahren. Ansonsten ist der Spurwechsler bei Unfällen in der Regel allein verantwortlich, so das Landgericht Essen als Berufungsinstanz über ein amtsgerichtliches Urteil (Az.: 13 S 41/24).
In diesem Fall ging es um einen Fahrer, der mit seinem Auto von der linken auf die rechte Fahrspur wechselte, damit er im Bereich einer Engstelle weiterfahren konnte. Dabei stieß er mit einem Wohnmobil zusammen, das bereits auf der rechten Spur unterwegs war.
Der Spurwechsler verklagte den Wohnmobilfahrer mit dem Argument, der Wohnmobilist habe das Reißverschlussverfahren missachtet (und sei überdies zu schnell unterwegs gewesen). Letztlich ohne Erfolg.
Das Gericht ließ dabei offen, ob das Reißverschlussverfahren im gesetzlichen Sine (§ 7 Abs. 4 StVO) anzuwenden war. Denn dieses gilt nach dem Gesetzeswortlaut nur dann, wenn der Abstand der auf den mehreren Fahrstreifen ankommenden Fahrzeuge kein Einordnen auf den durchgehenden Fahrstreifen mit ausreichendem Abstand mehr zulässt, wobei der Fahrbahnwechsler diese Voraussetzungen darzulegen hat.
Denn selbst bei einer „Reißverschlusssituation“ hätte der Pkw-Fahrer nicht ohne weiteres die Fahrspur wechseln dürfen. Das Gefährdungsverbot des § 7 Abs. 5 StVO gilt nämlich auch in einer solchen „Reißverschlusssituation“. Wer die Spur wechselt, darf nicht darauf vertrauen, dass ihm dies ermöglicht wird. Dass dabei der Wohnmobilist einen Fahrfehler gemacht hatte, konnte seitens des Pkw-Fahrers nicht dargelegt und bewiesen werden. Der Beweis des ersten Anscheins sprach also gegen den Spurwechsler.
Den Anscheinsbeweis, dass der Pkw-Fahrer dagegen verstoßen hat, konnte dieser nicht erschüttern.
Bickenbach, den 10.04.2025
Mitgeteilt von
RA Stefan Krump
Dingeldein • Rechtsanwälte
Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.