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Verzugszinsen in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten

Am Ende von Rechtsstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten kann als Ergebnis die Verurteilung von Arbeitgebern zur Zahlung rückständigen Lohns stehen. Hinzu kommt hierbei regelmäßig die Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen.


Schuldnerverzug

§ 286 BGB ordnet an, dass ein Schuldner unter gewissen Voraussetzungen in Verzug gerät. Im vorliegenden Fall handelt es sich hierbei um den Arbeitgeber, der den Lohn des Arbeitnehmers bis zur Klärung des Rechtsstreits einbehalten hat. Stellt sich nun am Ende des Prozesses heraus, dass beispielsweise eine etwaige Kündigung unwirksam gewesen ist oder ein Zurückbehaltungsrecht nicht bestand, so wird der Arbeitgeber zur Zahlung dieses rückständigen Lohns verurteilt.


Verzugszinsen

Auf diesen ausgeurteilten Betrag kommen regelmäßig Verzugszinsen obendrauf. § 288 Abs. 1 BGB legt insoweit die Höhe der Zinsen auf 5 % über dem Basiszinssatz fest. Dieser wurde früher von der deutschen Bundesbank festgesetzt, heute erfolgt die Bestimmung der Höhe des Basiszinssatzes durch die Europäische Zentralbank. Dies erfolgt grundsätzlich immer für sechs Monate. Der Basiszinssatz findet sich sodann in § 247 BGB wieder. Je nachdem wann Verzug eingetreten ist, muss also über den jeweiligen Zeitraum hinweg immer der jeweilige Basiszinssatz der Berechnung der Verzugszinsen zugrunde gelegt werden. Trat also beispielweise am 01.03.2023 Verzug ein und am 30.06.2024 erging das Urteil, so lag der Basiszinssatz für die Monate März bis Juni 2023 bei 1,62 %, für die Monate Juli bis Dezember 2023 bei 3,12 % und schließlich von Januar bis Juni 2024 bei 3,62 %.


Prozesszinsen

Im Unterschied zu Verzugszinsen können Prozesszinsen unabhängig vom Eintritt eines etwaigen Verzuges verlangt werden. Voraussetzung für den Anspruch auf Prozesszinsen ist lediglich die Rechtshängigkeit der Klage (Zustellung der Klage bei dem Beklagten). Für die Berechnung der Höhe der Zinsen ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.


Berechnungsgrundlage: Brutto oder Netto?

Wird ein Arbeitgeber nun zur Zahlung rückständigen Lohns verurteilt, kann man leicht auf den Gedanken kommen, dass lediglich Zinsen auf den Netto-Betrag der Geldforderung zu zahlen sind. Schließlich erhält der Arbeitnehmer ohnehin sonst nur Netto-Beträge ausgezahlt. Jedoch entschied das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 07.03.2001 − GS 1/00, dass der Arbeitnehmer Verzugszinsen aus der Brutto- Vergütung verlangen kann. Dem liegen folgende rechtliche Erwägungen zugrunde:


Begründung des BAG

Zwar hat der Arbeitgeber vor Auszahlung des Lohns an den Arbeitnehmer tatsächlich Lohnsteuer und Sozialabgaben an das Finanzamt abzuführen. Jedoch werden in aller Regel Bruttobeträge als Lohn im Arbeitsvertrag vereinbart. Daher umfasst die Geldschuld des Arbeitgebers eben auch diese Abgabenbeträge. Insofern gerät der Arbeitgeber mit dem Gesamtbetrag in Verzug und nicht nur mit dem Netto-Betrag. § 288 BGB gewährt insofern einen pauschalen Schadensersatz. Auf einen konkreten Schaden (beim Arbeitnehmer rein theoretisch leidglich der Netto-Betrag) kommt es also nicht an. Dem liegt dazu auch die Wertung zugrunde, dass Schuldnern durch Zahlungsvorenthaltung keine Zinsvorteile zugutekommen sollen. § 288 BGB soll somit auch eine präventive Funktion erfüllen.


Sonderrecht Steuerrecht

Die steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten betreffend die verspätete Abführung der entsprechenden Lohnabzüge greifen insoweit auch nicht als Sondervorschriften. Sie berühren lediglich das öffentlich- rechtliche Verhältnis von Arbeitgebern zu Finanzämtern und Sozialversicherungsträgern.



Bickenbach, den 22.07.2024

Mitgeteilt von
Rechtsreferendar Sven Bickel
Dingeldein • Rechtsanwälte

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