ARTIKEL

Vaterschaftsvermutung und Vaterschaftsanfechtung

Wird ein Kind in eine bestehende Ehe hineingeboren, unterstellt das Gesetz, dass Vater des Kindes der Ehemann ist. Ist in Wirklichkeit ein anderer Mann der Vater, können die Mutter, der Ehemann, der biologische Vater und auch das Kind die Vaterschaft anfechten. Ein bloßes Vaterschaftsanerkenntnis durch den biologischen Vater genügt nicht, weil ja die rechtlich vermutete Vaterschaft des Ehemannes noch besteht. Das gilt auch, wenn die Eheleute sich längst getrennt haben und die Ehefrau von ihrem neuen Partner schwanger geworden ist.

Es geht aber auch ohne Gericht: wenn das Kind nach Einleitung des Scheidungsverfahrens geboren wird und Mutter, Ehemann und der biologische Vater durch Erklärung gegenüber dem Jugendamt versichern, dass Vater des Kindes nicht der Ehemann, sondern der biologische Vater ist, wird die gesetzliche Vaterschaftsvermutung zerstört. Dann kann der wirkliche Vater die Vaterschaft anerkennen und wird in die Geburtsurkunde eingetragen.

Wird das Kind aber vor der Einleitung des Scheidungsverfahrens geboren oder zögert der Ehemann, z.B. aus Missgunst, die Erklärung des Jugendamts zu unterzeichnen, müssen die Mutter und der biologische Vater die gesetzliche Ausschlagungsfrist im Auge behalten. Die Anfechtung der Vaterschaft ist nämlich nur 2 Jahre lang möglich. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem die jeweilige anfechtungsberechtigte Person Grund zu der Annahmehatte, dass der Ehemann nicht der Vater ist. Die Frist beginnt und endet daher für jeden der Anfechtungsberechtigten unterschiedlich. Die Mutter wird in der Regel zeitlich am frühesten wissen, welche Männer als Väter in Betracht kommen. Wird das Kind in eine neue Beziehung hineingeboren, wird auch der biologische Vater von Anfang an Bescheid wissen. Der Ehemann erfährt häufig überhaupt erst mit oder nach der Geburt des Kindes, dass er - durch gesetzliche Vermutung - Vater geworden ist. Die Anfechtungsfrist des Kindes selbst ist jedenfalls bis zu seinem 18. Geburtstag gehemmt. Das Kind kann also noch bis zu seinem 20. Geburtstag anfechten, ggf. sogar später, falls es erst später erfährt, dass der (Ex-)Ehemann nicht sein Vater ist.

Mit Blick auf die strenge Frist sollte man kein Risiko eingehen. Sollten Mutter oder biologischer Vater die Vaterschaft anfechten wollen, sollten diese sich daher nach Möglichkeit am zweiten Geburtstag des Kindes orientieren und schon ein paar Monate vor dem 2. Geburtstag des Kindes das Anfechtungsverfahren einleiten. Sollten sie sich hinsichtlich der Vaterschaft nicht sicher sein, können sie alternativ ein Verfahren zur Klärung der Abstammung einleiten. Das Verfahren beseitigt zwar nicht automatisch die Vaterschaft des Ehemannes, hemmt aber die Zweijahresfrist, solange das Verfahren dauert. In der nach Ende des Verfahrens verbleibenden Frist muss dann das Anfechtungsverfahren folgen.



Bickenbach, den 09.12.2021

Mitgeteilt von
RA Martin Wahlers
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.