ARTIKEL

Trotz Geschäftsunfähigkeit dennoch die Pflicht zur Zahlung von Notarkosten?


Sachverhalt

Nachdem eine Frau sich dazu entschlossen hat, ihren ehemaligen Bankberater zu adoptieren, um ihn als Alleinerben einzusetzen, suchte sie im Jahre 2021 einen Notar auf, um ihr Vorhaben umzusetzen. Dieser beriet sie in mehreren Beratungsgesprächen zwecks weiteren Vorgehens. Dabei sind diesem Kosten in Höhe von 3.500 Euro entstanden. Die Frau entschied sich jedoch nach einem Monat gegen eine Adoption sowie die Einsetzung des ehemaligen Bankberaters als Alleinerbe. Daraufhin stellte der Notar im Dezember 2021 die ihm entstandenen Kosten in Rechnung, jedoch erfolglos. Der Notar erhob daher Zahlungsklage.


Die Entscheidung des Landgerichts (LG) sowie des Kammergerichts (KG)

Das Landgericht Berlin befasste sich mit dem Gebührenanspruch des Notars. Doch dieses lehnte den Antrag des Notars ab und war damit der Auffassung, dass die Frau die Notarkosten nicht zahlen müsse. Gegen die Entscheidung des LG legte der Notar Beschwerde beim Kammergericht ein, jedoch erfolglos. Der Kostenanspruch des Notars aus § 29 Nr. 1 Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) wurde von beiden Gerichten ab. Gemäß § 29 Nr.1 GNotKG schuldet derjenige die Notarkosten, der den Auftrag erteilt oder den Antrag gestellt hat.


• Begründung der Entscheidung des LGs und KGs

Innerhalb des Verfahrens stellte sich heraus, dass die Frau bei der Erteilung des Beratungsauftrags unerkannt geisteskrank war. Dies war während der Termine für den Notar nicht ersichtlich. Sofern eine Geisteskrankheit vorliegt, gilt man gemäß § 104 Nr.2 BGB als geschäftsunfähig. Daher ist der Beratungsauftrag der Frau nach § 105 Abs.1 BGB nichtig.

Dieser Entscheidung stehe auch § 15 Abs.1 S.1 Bundesnotarordnung (BnotO) nicht entgegen, welcher besagt, dass ein Notar seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern darf.


Meinungsstreit über Kostenanspruch aus § 29 Nr. 1 GNotKG bei Geschäftsunfähigkeit vom BGH entschieden

Der Notar zog weiter vor den BGH.

Der Fall wurde vom BGH zum Anlass genommen, um über den Meinungsstreit zwischen Rechtsprechung und Literatur zu entscheiden, ob ein Kostenanspruch aus § 29 Nr. 1 GNotKG in Fällen der Geschäftsunfähigkeit besteht. Hierzu standen sich bisher mehrere Meinungen gegenüber.

Nach einer, von der Rechtsprechung, überwiegend vertretenen Ansicht besteht ein Gebührenanspruch, wenn eine konkrete notarielle Beurkundung in Auftrag gegeben wurde. Die Ansicht stützt sich hier auf § 15 Abs.1 S.1 BnotO, wonach der Notar verpflichtet ist, tätig zu werden.

Die letzte Ansicht ist der Auffassung, dass eine Kostenhaftung nicht nur für die konkrete Beurkundung, sondern für jede Tätigkeit des Notars besteht. Dieser Ansicht folgt nunmehr der BGH.

Mit dem Beschluss vom 26. Februar 2025 (Az. IV ZB 37/24) stellte der BGH fest, dass der Notar einen Anspruch auf die Zahlung der Kosten habe. Somit hob der BGH die Entscheidung des KG auf und verwies die Sache an das Beschwerdegericht zurück. Die Sache muss vom KG erneut entschieden werden.


Begründung des BGHs

Die Entscheidung des BGHs beruht auf folgender Begründung:


1. Ablehnung der direkten Anwendung der §§ 104 ff. BGB

Durch das Aufsuchen des Notars zwecks Beratung zur Testamentserstellung, Adoption oder Vollmachtserteilung, habe die Frau einen Auftrag an den Notar im Sinne des § 29 Nr.1 GNotKG erteilt. Die §§ 104 ff. führen auch nicht zur Unwirksamkeit, da diese nicht anwendbar seien.

Eine direkte Anwendung scheitere nämlich daran, dass der Anspruch des Notars öffentlich-rechtlicher Natur sei. Im Falle einer Beauftragung eines Notars komme kein privatrechtlicher Vertrag zwischen Auftraggeberin und Notar zustande. Nur auf privatrechtliche Verträge seien die Regelungen zur Unwirksamkeit von Verträgen anwendbar. Ein Notar nehme seine Amtsgeschäfte nämlich aufgrund seiner Eigenschaft als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege wahr. Darunter fallen alle Tätigkeiten eines Notars, somit auch sonstige Betreuungsgeschäfte nach §§ 23, 24 Bundesnotarordnung (BNotO).


2. Ablehnung der analogen Anwendung der § 104 ff. BGB

Auch eine analoge Anwendung der §§ 104 ff. BGB wurde abgelehnt, da es an einer planwidrigen Regelungslücke sowie einer vergleichbaren Interessenlage mangelt.

An einer planwidrigen Regelungslücke mangelt es schon aufgrund des § 29 Nr.1 GNotKG, welcher eine eindeutige Kostenübernahme vorsieht. Nicht nur mit der GNotKG wurde dies vorgesehen, sondern auch vor der Einführung des GNotKG habe es Rechtsprechung gegeben, wonach eine Gebührenhaftung von geschäftsunfähigen Auftraggebern gegeben war. Sofern der Gesetzgeber gewillt wäre, von einer Gebührenhaftung geschäftsunfähiger abzusehen, dann hätte er hierzu einen Ausnahmetatbestand geschaffen. Daher ist davon auszugehen, dass er eine Haftung von geschäftsunfähigen Auftraggebern beabsichtigt.

Eine vergleichbare Interessenlage sei nicht gegeben, da, anders als im privaten Rechtsverkehr, eine mögliche Geschäftsunfähigkeit der Einleitung eines notariellen Verfahrens nicht entgegensteht. Ein Notar darf eine Beurkundung erst dann ablehnen, wenn er sich zuvor von der Geschäftsfähigkeit überzeugt hat, § 11 Abs. 1. S.1 Beurkundsgesetz (BeurkG)

Im vorliegenden Fall konnte der BGH keinen Fehler des Notars erkennen. Gemäß § 21 Abs. 1 S.1 GNotKG dürfen Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache entstanden wären, nicht erhoben werden. Die Frau berief sich zwar darauf, dass der Notar die Sache nicht richtig behandelt habe, jedoch erfolglos. Doch hierfür gab es laut dem BGH keine Anhaltspunkte. Der Notar hat die Geschäftsunfähigkeit der Frau nicht erkennen können.



Bickenbach, den 30.04.2025

Mitgeteilt von
WissMit Dilan Nayir
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.