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Sturz eines älteren Fahrgastes im Bus

Öffentliche Linienbusse warten aufgrund des Fahrplans häufig nicht, bis ältere Menschen einen Sitzplatz eingenommen haben. Wer sich beim Anfahren und Bremsen nicht gut festhalten kann, kann so sein Gleichgewicht verlieren. Da stellt sich die Frage, wer haftet, wenn hierbei etwas passiert.


Die gerichtliche Entscheidung

Stürzt ein älterer Fahrgast, der einen Linienbus mit einem Rollator besteigt, beim Anfahren des Busses, weil er es versäumt hat, sich sofort einen festen Halt zu verschaffen, kann auch dann, wenn den Busfahrer kein Verschulden an dem Vorfall trifft, eine Konstellation vorliegen, dass trotz des fahrlässigen Verhaltens des Fahrgastes die Haftpflichtversicherung des Busses aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Betriebsgefahr Schadenersatz leisten muss (Urteil des OLG Hamm vom 29.04.2022, Az.: 11 U 198/21).


Die Begründung des Gerichts

Allein das Mitführen eines Rollators beim Buseinstieg ist keine Situation, die dem Busfahrer eine besondere Hilfsbedürftigkeit des Fahrgastes signalisiert, so dass er mit dem Anfahren bis zur Eigensicherung des Fahrgastes abzuwarten hat. Daher braucht sich der Busfahrer vor dem Anfahrvorgang nur dann zu vergewissern, ob ein Fahrgast Platz oder Halt im Wagen gefunden habe, wenn eine erkennbar schwere Behinderung des Fahrgastes ihm die Überlegung aufdränge, dass der Fahrgast ohne besondere Rücksichtnahme gefährdet ist. Allein das fortgeschrittene Lebensalter eines Fahrgastes reicht hierfür nicht aus. Die gebotene Abwägung der beiderseitigen Verantwortungsanteile führt dazu, dass das Mitverschulden des Fahrgastes höher zu gewichten ist als die - nicht durch ein Verschulden des Fahrers erhöhte - Betriebsgefahr des Busses. Das Gericht bewertete den Mitverschuldensanteil des Fahrgastes gegenüber der Betriebsgefahr des Busses mit 2/3, weshalb die Versicherung in Höhe von 1/3 für die dem Fahrgast entstandenen Schäden aufzukommen hatte.


Fazit

Das OLG betont aber auch, dass es immer eine Frage des Einzelfalles sei, ob so zu entscheiden sei oder nicht, und erhebt damit keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit seiner Entscheidung.



Bickenbach, den 25.08.2022

Mitgeteilt von
RA Stefan Krump
Dingeldein • Rechtsanwälte

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