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Heilt die Zustimmung des Integrationsamts eine zuvor unwirksame Kündigung?

Schwerbehinderte und Gleichgestellte erhalten durch das SGB IX einen besonderen Schutz. Für die Wirksamkeit der Kündigung eines Schwerbehinderten muss der Arbeitgeber nach § 168 SGB IX vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einholen. Doch wie sieht es aus, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, ohne zu wissen, dass es sich bei dem Arbeitnehmer um einen Schwerbehinderten handelt, der unter den besonderen Schutz des SGB IX fällt?


Ordentliche Kündigung eines Schwerbehinderten

Unter den Schutz des SGB IX bei einer ordentlichen Kündigung fallen sowohl die nach § 152 SGB IX als Schwerbehinderte anerkannten Arbeitnehmer als auch diejenigen Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Kündigung den Antrag auf Anerkennung gestellt haben. Ausgenommen sind jedoch nach § 173 Absatz 1 Nr. 1 SGB IX schwerbehinderte Arbeitnehmer, die ein Arbeitsverhältnis mit einer Dauer von weniger als sechs Monaten haben.

Für die Wirksamkeit der Kündigung kommt es nun nach § 168 SGB IX darauf an, dass der Arbeitnehmer die Zustimmung des Integrationsamtes einholt. Dessen Zustimmung muss dem Arbeitgeber förmlich zugestellt sein. Dies muss wiederum spätestens im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung an den Arbeitnehmer geschehen. Ansonsten ist die Kündigung nach § 134 BGB nichtig.

Weiß der Arbeitgeber nicht, dass dem gekündigten Arbeitnehmer der besondere Schutz des SGB IX zusteht, wird die Kündigung erst unwirksam, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung auf seine besondere Schutzbedürftigkeit hinweist. Ausgenommen ist diese Hinweispflicht des betroffenen Arbeitnehmers, wenn dem Arbeitgeber gesundheitliche Beeinträchtigungen bekannt sind, die den Schluss auf eine Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers nach SGB IX nahelegen.


Außerordentliche Kündigung eines Schwerbehinderten

Auch für die außerordentliche Kündigung eines Schwerbehinderten muss der Arbeitgeber nach § 168 SGB IX die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Hierbei gelten jedoch im Vergleich zur ordentlichen Kündigung verkürzte Fristen. So hat das Integrationsamt für seine Zustimmung zwei Wochen Zeit. Erfolgt die Zustimmung erst nach dieser Frist, kann und muss der Arbeitgeber sofort nach Erhalt der Zustimmung die Kündigung aussprechen. Falls die Zustimmung früher erteilt wird, kann der Arbeitgeber die Zweiwochenfrist voll ausschöpfen.


Fazit

Die Kündigung wird bei vorhandener Schwerbehinderteneigenschaft oder deren Antragstellung unter Kenntnis des Arbeitgebers, bzw. der Geltendmachung durch den Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, gemäß § 134 BGB nichtig, wenn zuvor keine Zustimmung des Integrationsamtes durch den Arbeitgeber eingeholt wurde. Dies gilt sowohl bei der ordentlichen als auch bei der außerordentlichen Kündigung.

Um eine wirksame Kündigung zu erwirken, muss folglich eine erneute Kündigung durch den Arbeitgeber unter Einhaltung aller Voraussetzungen des SGB IX ausgesprochen werden. Hierdurch verlängert sich zwangsläufig die ordentliche Kündigungsfrist zugunsten des Arbeitnehmers, allerdings auch die Zweiwochenfrist für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zugunsten des Arbeitgebers.



Bickenbach, den 07.04.2022

Mitgeteilt von
Praktikantin Sabrina Jung
Dingeldein • Rechtsanwälte

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