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Post-COVID als Berufskrankheit

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie ist nun bereits mehr als fünf Jahre her. Doch noch immer beschäftigt Corona die Justiz in Deutschland. Nun gibt es ein neues wichtiges Urteil: Das Sozialgericht Heilbronn hat mit Urteil vom 12.12.2024 (Az.: S 2 U 426/24) eine gesetzliche Unfallversicherung verurteilt, an den Kläger, Krankenpfleger in einem Klinikum, eine Verletztenrente zu zahlen. Dieser war ursprünglich an COVID-19 erkrankt und leidet seither an einem Post-COVID-19-Syndrom.


Post-COVID

Unter dem Post-COVID-Syndrom versteht man nach der Leitlinienempfehlung des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) Beschwerden, die noch nach über 12 Wochen seit Beginn der SARS-CoV-2-Infektion bestehen und nicht anderweitig erklärt werden können. Long-COVID beschreibt Beschwerden, welche auch nach der akuten Krankheitsphase von vier Wochen fortbestehen oder neu auftreten.


Sachverhalt der Entscheidung

Der Krankenpfleger war im Dezember 2020 an COVID-19 erkrankt. Dessen Unfallversicherung erkannte dies als Berufskrankheit an, basierend auf einer Regelung für Versicherte im Gesundheitsdienst, und zahlte an den Kläger eine Verletztenrente. Allerdings hielten seine Beschwerden dauerhaft an. 2021 wurde deshalb ein Post-COVID-Syndrom diagnostiziert sowie verminderte kognitive Fähigkeiten. Die Symptome verschlimmerten sich dennoch weiterhin und so kam auch ein Fatigue-Syndrom hinzu, dessen Hauptsymptom eine rasche Ermüdung selbst bei geringer Belastung ist.

Die Unfallversicherung des Klägers verweigerte jedoch die weitere Zahlung einer Verletztenrente. Zur Begründung führte die Unfallversicherung an, es bestünden keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu wesentlichen Langzeitfolgen von COVID-19.


Begründung des Gerichts

Dieser Ansicht erteilte das Gericht eine Absage. Das Fatigue-Syndrom und kognitive Einschränkungen seien typische, häufig bis sehr häufig auftretende Symptome im Zusammenhang mit einem Post-COVID-Syndrom. Des Weiteren existiere eine Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften, welche sich mit den Folgen einer COVID-19-Erkrankung auseinandersetzt sowie die hierzu verfügbare Literatur aufführt. Insofern sei die Argumentation der Unfallversicherung nicht nachzuvollziehen.


Ausblick

Corona wird die deutsche Justiz auch in der Zukunft noch weiter beschäftigen. So geht dieser Fall zum Beispiel in die nächsthöhere Instanz, da die Unfallversicherung Berufung zum Landessozialgericht in Stuttgart eingelegt hat. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Thema gibt es bislang auch noch keine.

Auch besteht weiterhin enormer Forschungsbedarf was Post-/Long-COVID anbelangt, sowohl hinsichtlich Therapien als auch in der Diagnostik. Dieses Urteil stellt jedoch zunächst einen Meilenstein in diesem Zusammenhang dar. Es zeigt den Betroffenen, dass deren Beschwerden ernst genommen werden.



Bickenbach, den 14.02.2025

Mitgeteilt von
Rechtsreferendar Sven Bickel
Dingeldein • Rechtsanwälte

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