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Der Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen von Grundbesitz

Häufig kommt es vor, dass Erblasser ihren Nachlass noch zu Lebzeiten schmälern wollen, um sicherzustellen, dass etwaige von ihnen Enterbte und somit nur noch Pflichtteilsberechtigte lediglich auf einen Bruchteil des Vermögens zugreifen können, während die testamentarisch eingesetzten Erben möglichst den Großteil ihres Vermögens erhalten sollen. Oftmals werden hierzu bereits zu Lebzeiten Schenkungen von Grundbesitz an die späteren Erben vorgenommen. Allerdings bedeutet dies mit dem Todesfall für Pflichtteilsberechtigte nicht, dass diese auf den lebzeitig verschenkten Grundbesitz nicht mehr zugreifen können und sich deswegen mit einem um diesen geminderten Pflichtteilsanspruch zufriedengeben müssen. Vielmehr steht diesen unter bestimmten Voraussetzungen ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, der sogar in manchen Fällen noch in voller Höhe und gerade nicht gemindert besteht. Dies soll im Folgenden näher beleuchtet werden.


I. Pflichtteilsergänzungsanspruch

Einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung haben gemäß § 2303 BGB immer nur Pflichtteilsberechtigte, wie Kinder und Ehepartner des Verstorbenen. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht gemäß § 2325 BGB, wenn der Pflichtteilsberechtigte enterbt wurde oder nach § 2326 BGB einen Anspruch auf den Zusatzpflichtteil hat und er darüber hinaus von einer Schenkung des Verstorbenen erfährt.

Sofern der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung geltend machen möchte, muss er seine Forderung grundsätzlich gegenüber dem Erben als Schuldner des Pflichtteilsergänzungsanspruchs geltend machen. Eine Forderung gegenüber dem Beschenkten selbst ist unter engen Voraussetzungen gemäß § 2329 BGB nur möglich, wenn die Erben nicht zur Ergänzung des Pflichtteils verpflichtet sind.


II. Abschmelzungsfrist

Allerdings können zu Lebzeiten vorgenommene Schenkungen nicht unbegrenzt für einen etwaigen Pflichtteilsergänzungsanspruch herangezogen werden. Vielmehr existiert für den interessengerechten und praktikablen Umgang mit solchen gemäß § 2325 Abs. 3 BGB das Prinzip der zeitbezogenen fiktiven Anrechnung von Schenkungen auf den Nachlasswert. Hieraus ergibt sich eine interessante Folge: je geringer die Zeitspanne zwischen Erbfall und Schenkung ausfällt, desto höher ist der fiktive Anrechnungswert der Schenkung, der den Pflichtteil ergänzt. Für jedes Jahr, das vergangen ist, sind vom Pflichtteilsergänzungsanspruch 10% des Schenkungsbetrages abzuziehen. Diese sogenannte Abschmelzung gilt bei einer reinen Geldschenkung oder bei Grundstücksschenkungen.

Aus diesem Prinzip ergibt sich, dass nur solche Schenkungen für die Ermittlung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs Berücksichtigung finden, die bis zu maximal zehn Jahre vor dem Todesfall vorgenommen wurden. Länger zurückliegende Schenkungen finden demnach keine Beachtung.


III. Beginn der Abschmelzungsfrist und etwaige Hemmungen

Werden Schenkungen einer Immobilie ohne Vorbehalte vorgenommen, beginnt die Abschmelzungsfrist mit dem Tag der Schenkung zu laufen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn ein Nießbrauch oder Wohnungsrecht vorbehalten wurden. Sofern sich der Erblasser ein Nießbrauchrecht einräumen ließ, läuft die Zehn-Jahres-Frist nicht an. Das hat zur Folge, dass Schenkungen mit Nießbrauchrecht im Erbfall auch nach mehr als zehn Jahren noch Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen können. Die Zehn-Jahres-Frist beginnt dann erst, wenn die Nießbrauchrechte abgelaufen sind oder der Nießbraucher diese nicht mehr nutzt.

Denkbar ist auch, dass sich der Erblasser ein Rückforderungsrecht bezüglich eines übergebenen Grundbesitzes bei der Schenkung vorbehalten hat. Auch dann kann problematisch sein, ob dies bedeutet, dass sich der Erblasser der geschenkten Immobilie vollumfänglich entzogen hat und somit die Zehn-Jahres-Frist anläuft oder ob ihm dies Zugriffrechte gab, die dazu führten, dass keine Leistung vorlag und somit der Beginn der Zehn-Jahres-Frist gehemmt werden konnte. Im Falle einer Rückauflassungsvormerkung spricht jedoch Vieles dafür, dass diese einer wirtschaftlichen Ausgliederung beim schenkenden Erblasser nicht entgegensteht. Eine solch verschenkte Immobilie unterfällt nicht dem unbeschränkten Zugriff des Schenkers, weshalb die Zehn-Jahres-Frist in solchen Konstellationen nicht gehemmt wird.


IV. Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Pflichtteilsberechtigte bei etwaigen Schenkungen immer sorgfältig prüfen sollten, ob ihnen diese im Wege eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht vielleicht sogar in voller Höhe angerechnet werden können und somit ihren Anteil am Nachlass des Erblassers erhöhen können. Hierbei gilt jedoch zu beachten, dass nicht alle Konstellationen einer eindeutigen und unstreitigen Lösung zugänglich sind.



Bickenbach, den 27.06.2024

Mitgeteilt von
Praktikantin Alisa Olf
Dingeldein • Rechtsanwälte

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