ARTIKEL

Neue Rechtsprechung zur Rechtslage bei Wildunfällen


Neue Rechtsprechung zur Rechtslage bei Wildunfällen:

Viele Autofahrer haben es vielleicht schon einmal selbst miterlebt oder kennen andere Personen, denen es bereits passiert ist - Plötzlich läuft ein Reh auf die Straße und man hat keine Chance mehr auszuweichen oder rechtzeitig abzubremsen und kollidiert stattdessen mit diesem. In solchen Fällen meldet der Autofahrer in der Regel den Schaden anschließend seiner Versicherung und erwartet, dass diese die durch den Unfall entstandenen Kosten erstattet. Dass dies nicht immer reibungslos ablaufen muss, zeigt ein Urteil vom 22.08.2024 des Amtsgerichts München, Az. 123 C 13553/23. Um diese praxisnahe Problemkonstellation rechtlich beleuchten zu können, sollen daher das betreffende Urteil und die Aussagen dessen im Folgenden näher dargelegt werden.


I. Sachverhalt

Bei dem vom AG München zu entscheidenden Sachverhalt war der klagende Fahrzeughalter auf der Straße mit einem Reh kollidiert, da dieses seinen Angaben nach plötzlich auf die Motorhaube gesprungen war. Dadurch habe der Kläger kein freies Sichtfeld mehr gehabt, weshalb er die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe und infolge dessen in die Leitplanke gefahren sei. Durch diesen Vorfall erlitt das Fahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden. Den Vorfall meldete der Kläger daher seiner Münchner Versicherung, mit welcher er eine Kaskoversicherung abgeschlossen hatte, die Wildunfälle beinhaltete und verlangte daher Erstattung in Höhe von 3.000 €. Die Versicherung verweigerte jedoch die Erstattung mit der Begründung, dass es außer dem Reh keine Anzeichen für einen Wildunfall gegeben habe.


II. Urteil

Diesen Sachverhalt hatte nun also das AG München zu entscheiden. Relevant war demnach vor allem die Frage, wer denn die Beweislast für einen solchen Wildunfall trägt und ob alleinig ein totes Reh als Beweis ausreichend sein könne.

Das AG München entschied in diesem Zusammenhang, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass es zu einer Anstoßsituation mit einem Reh gekommen war. Auch die Schäden am Auto, die teilweise mit Schäden an der Leitplanke vor Ort übereinstimmten, vermochten nicht zu beweisen, dass diese tatsächlich durch einen Wildunfall verursacht worden sind, zumal das Auto in diesem Fall bereits verschrottet worden war, weshalb diesbezüglich keine weiteren Überprüfungen mehr vorgenommen werden konnten. Es sei nicht ohne Zweifel ersichtlich, dass das Reh für diesen Unfall ursächlich war. Stattdessen hätte der Kläger andere Beweise erbringen müssen, um seine Position ausreichend stützen zu können. Das Gericht stärkte mithin die These der Versicherung, dass außer dem Reh keine Beweise für einen Wildunfall vorgelegen hätten und wies die Klage als unbegründet ab.


III. Folgen

Alleinig das tote Reh und Schäden an Auto und Leitplanke reichen somit unter Umständen nicht als Beweis für einen Wildunfall aus. Daher mag nun vermehrt die berechtigte Frage aufkommen, welche Beweise denn überhaupt geeignet wären, um einen Wildunfall zweifelsfrei darlegen und der eigenen Beweislast als Halter genügen zu können.

In diesem Kontext können vor allem Zeugenaussagen relevant werden, sofern denn Zeugen den Unfall beobachtet haben und diese ausfindig gemacht werden können. Auch Fotos vom Unfallort können ratsam sein und sind unter Umständen geeignet, zur Klärung des Unfallhergangs beizutragen.

Darüber hinaus zeigt der geschilderte Sachverhalt, dass es wichtig werden kann, dass das betreffende Auto in der Zwischenzeit noch nicht verkauft oder verschrottet wird, um im Zweifelsfall auch das Auto selbst und die Schäden hieran für weitere Untersuchungen als Beweis für den Wildunfall heranziehen zu können.


IV. Fazit

Das geschilderte Urteil des AG München zeigt, dass bei Wildunfällen der Versicherungsnehmer und Halter des Fahrzeugs im Zweifel die Beweislast für den konkreten Unfall trägt. Hierfür genügt die bloße Existenz eines toten Rehs unter Umständen nicht. Vielmehr muss der Fahrer selbst sich seiner Pflicht zur Beweiserbringung bewusst sein und dementsprechend alle in Betracht kommenden Beweise für den Wildunfall zusammentragen und sichern, um diesbezüglich in Zweifelsfällen Ansprüche gegen seine Versicherung fundiert geltend machen zu können.



Bickenbach, den 28.11.2024

Mitgeteilt von
WissMit Alisa Olf
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.