Wird ein Arbeitgeber insolvent, stellt sich für Arbeitnehmer regelmäßig die Frage, wie ihre offenen Lohn- und Gehaltsforderungen abgesichert werden können.
Dabei stehen den Arbeitnehmern parallel zwei Optionen zur Verfügung, die verschiedene Schutzfunktionen erfüllen:
Gemäß § 165 Abs. 1 SGB III haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, wenn sie für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben und rechtzeitig entsprechend einen Antrag gestellt haben.
a. Frist
Rechtzeitig bedeutet vorliegend, dass der Antrag innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist gemäß § 324 Abs. 3 SGB III eingereicht wird, das heißt innerhalb von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis. Mit Stellen des Antrages verliert der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber, da dieser kraft Antragstellung auf die Bundesagentur für Arbeit übergeht.
b. Insolvenzereignis
Voraussetzung für die Gewährung von Insolvenzgeld ist das Vorliegen eines Insolvenzereignisses nach § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III. Dies ist entweder:
Ausnahmsweise kann die Agentur auch einen Vorschuss leisten, wenn noch kein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
c. Leistungsumfang
Nach § 167 Abs. 1 SGB III wird nach dem sogenannten „Erarbeitensprinzip“ das im Insolvenzgeldzeitraum erarbeitete Netto-Arbeitsentgelt gesichert. Geschützt ist dabei jedoch nur das Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate vor Eintritt des Insolvenzereignisses nach § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III. Zu diesem Arbeitsentgelt zählen das Grundgehalt und zudem die variablen Vergütungsbestandteile. Einmalzahlungen, wie etwa die Weihnachtsgratifikation, sind nur anteilig zu berücksichtigen. Nicht erfasst sind etwa Abfindungen, Urlaubsabgeltungen für Zeiten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder sonstige Nebenforderungen, die keinen Lohncharakter aufweisen.
Zudem übernimmt die Bundesagentur auch die fälligen Pflichtbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung.
Die Insolvenztabelle ist das zentrale Register der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Gläubiger und wird durch den Insolvenzverwalter erstellt und geführt. Die Arbeitnehmer müssen die offenen Forderungen, die nicht durch das Insolvenzgeld abgesichert sind, als Insolvenzforderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter gemäß § 174 InsO anmelden.
a. Leistungsumfang
Zu den regelmäßig anzumeldenden Ansprüchen zählen insbesondere:
b. Ablauf
Der Insolvenzverwalter entscheidet im Prüfungstermin über die Aufnahme der Forderungen. Er kann die Forderung entweder feststellen oder bestreiten. Feststellung bedeutet, dass die Forderung anerkannt und für die Verteilung der Insolvenzmasse bedeutsam ist. Im Falle des Bestreitens bleibt es dem Gläubiger überlassen, gemäß § 179 InsO, die Feststellung gegen den Bestreitenden (Insolvenzverwalter oder anderer Insolvenzgläubiger) zu betreiben.
Durch die Eintragung in die Insolvenztabelle wird eine Insolvenzquote gesichert, deren Höhe nach Abschluss des Verfahrens festgestellt wird. Diese Quote hängt von der verfügbaren Insolvenzmasse und der Anzahl und Höhe der angemeldeten Forderungen ab.
Die Auszahlung erfolgt ebenfalls nach Abschluss des Verfahrens, jedoch nicht in ganzer Höhe, sondern abhängig von der festgestellten Quote – welche meist unter dem ursprünglichen Anspruch liegt.
Das Verhältnis von Insolvenzgeld und Forderungen in der Insolvenztabelle unterstreicht die durchdachte Schutzstruktur des deutschen Arbeits- und Insolvenzrechts für Arbeitnehmer bei einer Arbeitgeberinsolvenz. Dieses System bietet eine abgestufte Sicherung, um die Interessen und den Lebensunterhalt der Arbeitnehmer möglichst umfassend zu wahren.
Das Insolvenzgeld dient dabei als existenzsicherndes Auffangnetz und stellt sicher, dass Arbeitnehmer vorrangig Ansprüche auf ihr ausstehendes Gehalt für die letzten drei Monate vor der Insolvenz geltend machen können. Dadurch werden sie in dieser Phase besonders privilegiert behandelt. Im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens ermöglicht die Insolvenztabelle eine geregelte Gläubigerbefriedigung aus der verfügbaren Insolvenzmasse. In diesem Verfahren sind Arbeitnehmer gleichrangig mit anderen Gläubigern.
Durch diese zweistufige Struktur wird der Lebensunterhalt der Arbeitnehmer kurzfristig abgesichert, während zugleich im Insolvenzverfahren eine faire und transparente Verteilung der verbleibenden Mittel unter allen Gläubigern gewährleistet wird.
Bickenbach, den 29.09.2025
Mitgeteilt von
RAin Lara Risberg
Dingeldein • Rechtsanwälte
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