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Was geschieht mit einem Nießbrauch bzw. einem Wohnungsrecht an einer Immobilie in Insolvenz?

Der Nießbrauch und das Wohnungsrecht sind beliebte Sicherungsmittel bei der Übertagung einer Immobilie, vor allem von den Eltern an die Kinder. Dadurch werden die Kinder Eigentümer, während die Eltern aufgrund und im Rahmen des Nießbrauchs bzw. Wohnungsrechts die Immobilie weiter nutzen können. Doch was geschieht mit dem Nießbrauch oder Wohnungsrecht, wenn die Kinder oder die Eltern in die Insolvenz rutschen?


Was ist ein Nießbrauch? Was ist ein Wohnungsrecht?

Der Nießbrauch beschreibt ein nicht übertragbares, unvererbliches dingliches Recht, welches dessen Inhaber berechtigt, die Nutzungen des mit dem Nießbrauch belasteten Gegenstandes oder Grundstücks zu ziehen. Geregelt ist er in § 1030 Absatz 1 BGB. Ein Wohnungsrecht nach § 1093 Absatz 1 BGB regelt die Nutzung eines Gebäudes oder Gebäudeteils durch den Berechtigten als Wohnung. Dabei wird der Eigentümer von der Nutzung als Wohnung seinerseits explizit ausgeschlossen. Dadurch wird der Unterschied zwischen den beiden Sicherungsmitteln deutlich: Das Wohnungsrecht ist personenbezogen, wobei der Berechtigte nach § 1093 Absatz 2 BGB auch seine Familie sowie erforderliches Pflegepersonal in seiner Wohnung aufnehmen darf, während der Nießbrauch eine solche Personenbezogenheit nicht aufweist. Stattdessen kann der Nießbraucher die Wohnung anders nutzen, indem er sie beispielsweise vermietet und somit die Ausübung des Nießbrauchs nach § 1059 Satz 2 BGB einem anderen überlässt. Eine solche Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs kann jedoch mit dinglicher Wirkung ausgeschlossen werden.


Nießbrauch bei Insolvenz des Nießbrauchers

Rutscht nun der Nießbraucher in die Insolvenz, gehört der Nießbrauch nach §§ 35, 36 Absatz 1 InsO, § 857 Absatz 3 ZPO hinsichtlich der Ausübung zur Insolvenzmasse, selbst wenn die Überlassung der Ausübung mit dinglicher Wirkung ausgeschlossen wurde. Ob lediglich das Ausübungsrecht oder auch das Stammrecht selbst von der Insolvenz erfasst ist, ist ungeklärt. Dies ist allerdings insoweit irrelevant, indem der Insolvenzverwalter zwar nicht über das Stammrecht selbst verfügen, er aber zusammen mit dem Eigentümer die Aufgabe des Nießbrauchs unter Entschädigung vereinbaren kann. Diesbezüglich ist keine Zustimmung des Nießbrauchers erforderlich. Darüber hinaus verliert der Nießbraucher nach §§ 80 Absatz 1, 81 Absatz 1 Satz 1 InsO die Befugnis über den Nießbrauch zu verfügen. Folglich kann er nicht mehr auf den Nießbrauch verzichten bzw. ihn inhaltlich verändern.

Die infolge der Insolvenz eintretende Verwertung des Nießbrauchs richtet sich nach den Rechten des Nießbrauchers, sodass der Insolvenzverwalter die dem Nießbraucher zustehenden Rechte aus §§ 1030 ff. BGB geltend machen kann. Daraus resultierende Erträge fallen in die Insolvenzmasse, auch wenn ein Ausschluss der Überlassungsbefugnis vereinbart wurde. Eine Veräußerung des Nießbrauchs ist jedoch ausgeschlossen.


Nießbrauch bei Insolvenz des Eigentümers

Liegt nun eine Insolvenz des Eigentümers der mit dem Nießbrauch belasteten Sache vor, besteht das Nießbrauchrecht unverändert fort. Gleichwohl steht dem Nießbraucher gemäß § 47 InsO ein Aussonderungsrecht zu. Demzufolge kann der Nießbraucher unter Maßgabe des § 1036 Absatz 2 BGB die belastete Sache herausverlangen bzw. behalten und sein Nutzungsrecht bis zur Beendigung des Nießbrauchs fortsetzen.


Wohnungsrecht bei Insolvenz des Eigentümers

Bei Insolvenz des Eigentümers besteht ein Wohnungsrecht unverändert fort. Der Wohnrechtsbesitzer hat zudem nach § 47 InsO ein Aussonderungsrecht, sofern die Eintragung des Wohnungsrechts vor der Insolvenz bewirkt war.

Die Forderung des Eigentümers gegen den Wohnrechtsbesitzer bleibt von der Insolvenz des Eigentümers unberührt, fällt jedoch in die Insolvenzmasse.


Wohnungsrecht bei Insolvenz des Wohnrechtbesitzers

Ist eine Insolvenz des Wohnrechtsbesitzers gegeben, muss zwischen zwei Situationen unterschieden werden:

Ist das Wohnungsrecht nach dem in § 1092 Absatz 1 Satz 1 BGB vorgesehenen Fall unübertragbar, ist es mangels Pfändbarkeit nach § 857 Absatz 1 ZPO auch gemäß § 36 Absatz 1 Satz 1 InsO grundsätzlich nicht Gegenstand der Insolvenzmasse. Folglich kann der Insolvenzverwalter nicht über das zu Gunsten des Schuldners bestehende Wohnungsrecht verfügen.

Besteht eine Übertragbarkeit des Wohnungsrecht über den in § 1092 Absatz 2 BGB vorgesehenen Rahmen hinaus, fällt das Recht in die Insolvenzmasse und kann dementsprechend vom Insolvenzverwalter genutzt werden. Dies kann in Form einer Vermietung oder Verpachtung, sowie im Bezug von Nutzungen aller Art nach § 100 BGB geschehen.

Die Verpflichtungen des Wohnrechtsbesitzers auf Entgelt für das Wohnungsrecht an den Eigentümer werden während der Insolvenz zu Masseverbindlichkeiten nach § 55 Absatz 1 Nr. 2 InsO.


Ausnahmetatbestand des Wohnungsrechts bei Insolvenz des Wohnrechtsbesitzers

Darüber hinaus besteht eine Besonderheit bei Insolvenz des Wohnrechtsbesitzers: Veräußert der Eigentümer das Grundstück bzw. die Wohnung und bestellt gleichzeitig ein Wohnungsrecht zu seinen Gunsten, kann der Insolvenzverwalter nach Eröffnung der Insolvenz das Eigentum durch Anfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO auf den Eigentümer zurückübertragen werden. In diesem Fall fällt nicht nur das Eigentum, sondern auch das Wohnungsrecht in die Insolvenzmasse und der Insolvenzverwalter ist befugt, das Wohnungsrecht aus dem Grundbuch durch das Grundbuchamt löschen zu lassen.


Fazit

Als Fazit ist festzuhalten, dass sowohl bei Insolvenz des Nießbrauchers als auch des Wohnrechtsbesitzers (dessen Übertragbarkeit vorausgesetzt) das Recht in die Insolvenzmasse fällt und durch den Insolvenzverwalter in Form der Nutzung ausgeübt werden kann. Zudem fallen die Erträge in die Insolvenzmasse bzw. werden beim Wohnungsrecht zu Masseverbindlichkeiten.

Bei Insolvenz des Eigentümers einer mit einem Nießbrauch oder Wohnungsrecht belasteten Sache steht dem Nießbraucher und dem Wohnrechtsinhaber ein Aussonderungsrecht zu.



Bickenbach, den 30.03.2022

Mitgeteilt von
Praktikantin Sabrina Jung
Dingeldein • Rechtsanwälte

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