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Vollständig geimpft und trotzdem im Home-Office

Pünktlich zum Sommerbeginn sinken bundesweit die Inzidenzwerte. Doch ganz so rosig scheint damit der Alltag von vielen Arbeitnehmern noch nicht zu sein, denn noch immer sind sie verpflichtet, ihre Tätigkeit aus dem Home-Office zu verrichten. Ausnahmen für bereits vollständig Geimpfte oder Genesene bestehen nicht.

Seit bereits 18 Monaten befindet sich der Großteil der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Bürotätigkeiten ausüben, im Home-Office. Die anfängliche Freude und Ausgelassenheit über einen entspannteren Start in den Tag und weniger Bürotrubel scheint mittlerweile nachgelassen zu haben. Viele Arbeitnehmer möchten nunmehr in ihre Büroräumlichkeiten zurückkehren.

Die meisten Beschäftigten müssen sich allerdings aufgrund des aktuell geltenden § 28b Abs. 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) noch gedulden und mit ihrem Büro am Küchentisch zufriedengeben. Nach dieser Vorschrift ist das Home-Office der Grundsatz. Einige wenige Ausnahmen bestehen, jedoch keine solchen konkret für Geimpfte oder Genesene.

Träfen sich diese Personengruppen aber nach getaner Arbeit auf ein kühles Blondes in einem Biergarten, wäre dies wiederum von den aktuell geltenden Maßnahmen abgedeckt. Dass sich hinsichtlich dieser Diskrepanz Zweifel bei Arbeitnehmern auftun, ist nachvollziehbar und lässt die berechtigte Frage aufkommen, ob die aktuellen Maßnahmen im Bereich des Home-Office nicht unverhältnismäßig sein könnten.

Juristisch gesehen ist das Feierabendbier im Biergarten möglich, da Geimpfte und Genesene seit dem 09. Mai 2021 hinsichtlich der zulässigen Kontakte nicht mitgezählt werden. Mit Blick auf das Arbeiten im Home- Office und einer etwaigen Rückkehr in Büroräumlichkeiten gilt dies offensichtlich nicht.


§ 28 Abs. 7 IfSG

Nach § 28 Abs. 7 IfSG hat ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer, falls dieser Büroarbeit oder vergleichbare Tätigkeiten verrichtet, anzubieten, diese Arbeiten von zuhause aus zu erledigen, wenn keine betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Soweit dem von Seiten der Beschäftigten keine Gründe entgegenstehen, haben sie das Angebot, völlig unabhängig von Inzidenzwerten oder negativen Coronatests, anzunehmen. Entsprechendes gilt für bereits vollständig Geimpfte sowie Genesene.


Ausnahme: sachlicher Grund

Liegt ein sachlicher Grund vor, können Beschäftigte wieder ihre Büroräumlichkeiten aufsuchen und diese nutzen.

Entgegenstehende Gründe bestehen nach § 28 Abs. 7 S. 2 IfSG in derartigen Fällen, in denen beispielsweise die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben nicht gewährleistet oder aber Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht geschützt sind. Auch eine holprige Internetverbindung kann einen sachlichen Grund darstellen. Nämlich dann, wenn einem Arbeitnehmer aus diesem Grund die Teilnahme an beispielsweise Videokonferenzen verwehrt ist. Darüber hinaus ist als sachlicher Grund anerkannt, wenn es in den eigenen vier Wänden schlicht an einem Arbeitsplatz, an dem der Arbeitnehmer fokussiert und konzentriert arbeiten kann, fehlt.

Mit Blick auf die aktuellen bundesweiten Infektionszahlen könnte es an einem Rechtsfertigungsgrund für den Eingriff fehlen. Dieser muss nämlich erforderlich, geeignet und angemessen sein.


Möglichkeiten (nicht nur) für Geimpfte und Genesene

Eine Möglichkeit bestünde darin, zunächst die Lockerungen der Corona-Beschränkungen für Geimpfte und Genesene auf weitere Lebensbereiche, insbesondere mit Blick auf die Rückkehr zu ihren Büroräumlichkeiten, auszuweiten. Schließlich besteht für diese Personengruppen ein geringeres bis gar kein Infektionsrisiko.

Einige Maßnahmen, die das IfSG zur Eindämmung der Corona-Pandemie vorsieht, hängen von einer 7- Tages-Inzidenz ab. Andere Tätigkeiten wiederum haben die Vorlage eines negativen Corona-Tests als Voraussetzung.

Darüber hinaus bestünde die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber künftig im Rahmen des Arbeitsvertrages eine Klausel hinsichtlich des Home-Office und der Beschäftigung am Arbeitsplatz aufnehmen.

Weiterhin könnte eine Regelung gelten, nach der ab einer Inzidenz von 100 (100 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb von 7 Tagen) eine Testpflicht für Arbeitnehmer besteht und diese unmittelbar vor dem Betreten des Büros einen Schnelltest durchzuführen und vorzuweisen haben. Bundesweit wäre folglich eine generelle Ausnahme von der Home-Office-Pflicht für Geimpfte und Genesene denkbar. In diesem Zusammenhang wäre eine weitere Überlegung, Geimpfte und Genesene bei der in einigen Bundesländern geltenden Büroarbeitsplatzquote nicht mit zu berechnen.



Bickenbach, den 09.06.2021

Mitgeteilt von
Ref. Gülsah Bucak
Dingeldein • Rechtsanwälte

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