Es ist für Eltern nicht einfach und für Kinder kaum verständlich: Die Regelungen der StVO können für Minderjährige ausnahmsweise außer Kraft gesetzt werden, da es den erwachsenen Straßenverkehrsteilnehmern zugemutet werden kann, dass sie besondere Rücksicht auf Kinder im Straßenverkehr zu nehmen haben, die im Zweifelsfall mit den Gesetzen nicht vertraut sind.
Kinder bis zum achten Lebensjahr müssen auf dem Gehweg oder auf baulich von der Fahrbahn getrennten Radwegen fahren. Allerdings darf auch ein siebenjähriges Kind mit seinem Fahrrad die Straße nutzen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Und Autofahrer müssen dann unter Umständen auf ihr Vorfahrtrecht verzichten, so ein aktuelles Urteil des Landgerichts Ingolstadt (Az.: 72 O 516/23 V).
Eine Siebenjährige fuhr auf der Straße und näherte sich von links einer Kreuzung. Von rechts – und damit vorfahrtsberechtigt – kam ein Auto. Dessen Fahrer fuhr auf die Kreuzung, obwohl er das Mädchen sah und hupte. Dennoch kam es zur Kollision, bei dem das Kind unverletzt blieb. Im Nachgang verlangte der Autofahrer von den Eltern des Kindes Schadenersatz, da kollisionsbedingt am Pkw ein Schaden von insgesamt 5.720,20 € entstanden war. Die Eltern hätten - so der Autofahrer - die Aufsichtspflicht verletzt, denn das Mädchen radelte - relativ weit von zu Hause entfernt - alleine auf der Fahrbahn.
Die Eltern (bzw. die hinter ihnen stehende Privathaftpflichtversicherung) verweigerten die Zahlung, da das Kind die Fahrstrecke gekannt habe. Zudem wäre sie geübt im Straßenverkehr, denn man hätte sie über das korrekte Verhalten belehrt. I.Ü. würde das Kind oft zusammen mit den Eltern radeln und könne als geübte Fahrerin angesehen werden. Verkehrsunterricht in der Schule hätte das Kind ebenfalls bereits gehabt.
Das Gericht urteilte zugunsten der Eltern, der Autofahrer ging leer aus. Die Nutzung des Gehweges sei hier nicht möglich gewesen. Dieser war an der betreffenden Stelle sehr schmal und zugewachsen. Und auch den Fußgängerweg auf der gegenüberliegenden Seite zum temporären Ausweichen hätte die junge Radfahrerin nicht nutzen müssen. Das dafür erforderliche zweifache Queren der Straße wäre noch gefährlicher gewesen. Zudem hätte das Mädchen die geradelte Strecke gekannt. Sie wäre geübt genug gewesen, solche Strecken alleine zu fahren, auch wenn sie auf der Fahrbahn gefahren sei. Auch hatte die Mutter zuvor zugestimmt, dass das Kind alleine zu einer Freundin radeln durfte, da es eine überschaubare Strecke gewesen sei.
Bickenbach, den 22.01.2025
Mitgeteilt von
RA Stefan Krump
Dingeldein • Rechtsanwälte
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