Bei einem Unfall, an dem ein betrunkener Autofahrer beteiligt ist, trägt dieser oft die Hauptschuld. Und zwar auch dann, wenn sich andere Beteiligte ebenfalls falsch verhalten haben.
Eine Fußgängerin erlitt schwere Verletzungen, als sie in Hessen eine Straße überquerte und dabei von einem Auto erfasst wurde. Der Fahrer war alkoholisiert (0,96 Promille Blutalkohol). Die Frau klagte auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.
In erster Instanz wurde eine Mithaftung von 50 Prozent ausgesprochen (die Fußgängerin hätte auch besser aufpassen können, so die sinngemäße Begründung).
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt als Berufungsinstanz (Az.: 26 U 11/23) erhöhte die Quote dann auf 75 Prozent - zulasten des Autofahrers. Zum einen hatte er nicht gebremst und so gegen das allgemeine Gebot zur Rücksichtnahme verstoßen. Zum anderen wertete das OLG die Tatsache, dass er alkoholisiert gewesen war, als "grobe Fahrlässigkeit". Der sogenannte "Anscheinsbeweis" (d.h. ein Rückschluss aus bewiesenen Tatsachen in anderen Fällen kann auf zu beweisende Tatsachen übertragen werden – typische Abläufe zum Beispiel) spricht dafür, dass die Trunkenheit für den Unfall ursächlich ist, wenn ein nüchterner Autofahrer unter denselben Umständen die Situation hätte meistern können. Das war laut dem OLG hier der Fall. Denn der Autofahrer hatte freie Sicht gehabt. Wäre er nüchtern gewesen, hätte er die Frau rechtzeitig wahrnehmen und abbremsen können.
Allerdings verblieb ein Mitverschulden von 25 % bei der Fußgängerin als Klägerin. Denn auch sie hätte den Autofahrer erkennen können, als sie auf die Straße trat. Sie bekam angesichts der Schwere der Verletzungen und der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ein Schmerzensgeld in Höhe von 70.000 Euro zugesprochen.
Bickenbach, den 29.04.2024
Mitgeteilt von
RA Stefan Krump
Dingeldein • Rechtsanwälte
Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.