Ein Arbeitgeber, der seine hierarchische Machtstellung ausnutzt und dadurch eine Arbeitnehmerin in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt, riskiert nicht nur die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, sondern auch eine überdurchschnittlich hohe Abfindung gemäß §§ 9 Abs. 1, 10 KSchG bei gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 09.07.2025 (Az. 4 SLa 97/25) setzt in Bezug auf diese Thematik ein deutliches Zeichen. Im Zentrum steht die Frage, inwieweit persönliches Fehlverhalten von Vorgesetzten eine Weiterbeschäftigung für die betroffene Arbeitnehmerin unzumutbar macht und welche Höhe einer Abfindungszahlung angemessen ist.
Eine Arbeitnehmerin klagte auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, nachdem sie durch den Geschäftsführer mehrfach unangemessen behandelt worden war. Im Februar 2024 schickte der Geschäftsführer der Klägerin eine Whats-App-Sprachnachricht, in welcher er sie darum bat, an einem wichtigen Termin mit „Möchtegern-Bänkern“ teilzunehmen. Dabei sollte sie „rockmäßig was kurzes und dekolteemäßig irgendwie was anziehen“. Zudem sollte sie rote Fingernägel haben und High-Heels anziehen. Außerdem sei es ganz wichtig, dass sie „nichts unter dem Rock anziehe“. Die Klägerin weigerte sich. In der folgenden Kommunikation forderte der Geschäftsführer die Klägerin dazu auf, zu Hause zu bleiben. Es folgten mehrfach Beleidigungen gegenüber der Klägerin und sie sollte die weitere Tätigkeit im Homeoffice verrichten. Später sollte die Klägerin dann doch wieder ins Büro kommen und fand auf ihrem Schreibtisch einen Blumenstrauß und eine Einladung vom Geschäftsführer zu einem gemeinsamen Thermenbesuch. Nachdem die Klägerin das Angebot höflich abgelehnt hatte, forderte der Geschäftsführer die ihr überlassenen Geschenke sowie den Dienstwagen samt Tankkarte zurück. Auch wurde geäußert, dass ihr Gehalt heruntergestuft werde. Kurz darauf erhielt die Klägerin die schriftliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Arbeitnehmerin stellte daher im Kündigungsschutzprozess einen Antrag auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Schon das Arbeitsgericht Bonn gab der Klage weitgehend statt. Auch das Landesarbeitsgericht Köln bestätigt die Rechtsauffassung.
Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigt die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Dabei ist ausreichend, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Dauer unzumutbar ist. Es bedarf nicht nur der Sozialwidrigkeit der Kündigung, sondern zudem auch zusätzlicher Gründe, die im Zusammenhang mit der Kündigung oder dem Kündigungsschutzgesetz stehen. Die Unzumutbarkeit sah das Gericht im vorliegenden Fall insbesondere in den Beleidigungen und den drohenden Sanktionen in Verbindung mit dem hierarchisch geprägten Arbeitsverhältnis. Hinzu kam, dass die Klägerin infolge der Belastungssituation eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelte. Das Gericht ging daher davon aus, dass sich das belastete Vertrauensverhältnis auf absehbare Zeit nicht wiederherstellen lasse.
Im Hinblick auf gerichtlich festgesetzte Abfindungen nach § 10 KSchG orientiert sich das Gericht in der Regel an der üblichen Berechnungsformel, das heißt 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr. Aufgrund der besonderen Umstände im vorliegenden Fall nahm das Landesarbeitsgericht Köln eine deutliche Erhöhung vor. Dabei berücksichtigte das Gericht vorwiegend die Schwere der Persönlichkeitsverletzungen, die gesundheitlichen Folgen sowie das gezielte Ausnutzen der betrieblichen Machtstrukturen durch den Geschäftsführer. Der Abfindung solle so, laut dem Landesarbeitsgericht Köln, „ähnlich dem Schmerzensgeld bei Persönlichkeitsverletzungen eine Genugtuungsfunktion“ zukommen. Daher hielt das Gericht eine Abfindungszahlung in Höhe von 68.153,80 Euro brutto für angemessen.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln zeigt, dass das Arbeitsrecht auch in sensiblen zwischenmenschlichen Konstellationen wirksame Schutzmechanismen bereithält, um Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten zu wahren und unzumutbare Beschäftigungssituationen zu beenden.
Zugleich unterstreicht das Gericht mit der Bemessung der Abfindung, dass solche Eingriffe finanzielle Folgen nach sich ziehen können. In der Praxis bedeutet dies eine klare Mahnung an den Arbeitgeber, seine Position verantwortungsvoll und im Einklang mit den arbeitsrechtlichen Grenzen auszuüben.
Bickenbach, den 11.09.2025
Mitgeteilt von
RAin Lara Risberg
Dingeldein • Rechtsanwälte
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