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Ampel wird nicht grün - darf man dann über rot fahren?

Ampelanlagen, die mit einer "Bedarfsschleife" ankommende Fahrzeuge erkennen, schalten dann "bei Bedarf" auf Grünlicht - sonst bleibt es Rot. Aber was ist, wenn man mit einem leichtgewichtigen Rad heranfährt und diese Bedarfsschleife durch dieses nicht aktiviert wird?


Der Fall

Eine Radlerin in Hamburg wartete mehrere Minuten, dann fuhr sie schließlich über Rot. Eine Zivilstreife kontrollierte, die Bußgeldbehörde ahndete mit 100,00 € Geldbuße wegen eines vorsätzlichen Rotlichtverstoßes. Der dagegen erhobene Einspruch wurde damit begründet, dass die Radfahrerin davon ausgegangen sei, dass die Ampel defekt gewesen ist.


Das erstinstanzliche Urteil

Das Amtsgericht Hamburg-Blankenese verurteilte die Frau, diese legte Beschwerde ein. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg gab der Betroffenen - vorläufig - recht (Az.: 5 ORbs 25/23):


Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg

Sollte tatsächlich eine Funktionsstörung vorgelegen haben, die zu einem dauerhaften Rotlicht führte, sei die Pflicht zum Anhalten nichtig, so das OLG. Das wäre auch der Fall, wenn eine Kontaktschleife vorhanden wäre, diese aber durch ein Fahrrad nicht ausgelöst werden könnte. Dann wäre die Halteanordnung - jedenfalls gegenüber Radfahrenden - ebenfalls nichtig. Sollte die Schleife dagegen technisch auch von leichten Radfahrenden ausgelöst werden können, sei die Verkehrsteilnehmerin hier irrtümlich von einer Störung ausgegangen. Dann komme aber zumindest keine "vorsätzliche" Begehung eines Rotlichtverstoßes in Betracht.


Die gerichtliche Begründung

Auch der Auffassung des Amtsgerichts, die Radfahrerin hätte die Möglichkeit gehabt, abzusteigen und die Kreuzung mit Hilfe einer auf der rechten Seite befindlichen und mit einem Anfrageknopf ausgestatteten Fußgängerbedarfsampel zu überqueren, erteilte das OLG eine Absage: Die Betroffene habe nicht als Fußgängerin, sondern als Radfahrerin am Verkehr teilgenommen. Radfahrende seien nicht etwa als "qualifizierte Fußgänger" anzusehen, denen unabhängig von etwaigen straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen "nach Belieben angesonnen werden könnte oder müsste, vom Fahrrad abzusteigen und fortan als Fußgänger am Verkehr teilzunehmen".

Die Sache wurde mit diesem radfahrerfreundlichen OLG-Beschluss zur erneuten Verhandlung und Entscheidung ans Amtsgericht zurückverwiesen.



Bickenbach, den 12.10.2023

Mitgeteilt von
RA Stefan Krump
Dingeldein • Rechtsanwälte

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