ARTIKEL

Adoption als "Steuersparmodell"

Wer größeres Vermögen zu vererben hat und dieses Vermögen an eine mit ihm nicht verwandte Person vererben will, muss damit rechnen, dass diese Person Erbschaftssteuer in beträchtlicher Höhe zahlen muss. Gleiches gilt, wenn noch zu Lebzeiten Vermögenswerte unentgeltlich übertragen, das heißt verschenkt werden.

Während sich die Freibeträge gegenüber eigenen Kindern und Stiefkindern (Steuerklasse I) auf immerhin 400.000 Euro pro Elternteil und Erben belaufen, liegen die Freibeträge für nicht verwandte Personen (Steuerklasse III) bei gerade mal 20.000 Euro pro Erben. Zudem sind die von dem steuerpflichtigen Erwerb als Steuern abzuführenden Prozentsätze in der Steuerklasse I erheblich niedriger als in der Steuerklasse III.

Möchte man einer Person, mit der man nicht oder nur entfernt verwandt ist, größere Vermögenswerte zuwenden, sind zwei "Instrumente" denkbar, um die Steuerlast deutlich zu vermindern:

Ist man mit seinem Lebenspartner oder seiner Lebenspartnerin nicht verheiratet, kann man aus steuerlichen Gründen eine Eheschließung in Betracht ziehen. Auf diese Weise kommt man in den Genuss eines Steuerfreibetrags von 500.000 Euro, häufig sogar darüber.

Bei anderen nahestehenden Personen kann überlegt werden, eine Volljährigenadoption vorzunehmen.

Voraussetzung der Adoption eines/einer Volljährigen ist, dass die Annahme als Kind "sittlich gerechtfertigt" ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen der annehmenden und der anzunehmenden Person ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist. Jedenfalls muss dessen Entstehung mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Es darf sich nicht offenkundig um ein Steuersparmodell halten. Es muss zwischen den beiden ein Näheverhältnis bestehen, das dem zwischen Eltern und Kindern entspricht, nicht dem zwischen Großvater und Enkelkind, Tante und Neffe etc. Hierbei kann es auch auf den Altersunterschied ankommen. Ein Eltern-Kind-Verhältnis ist ein Verhältnis besonderer Nähe, das auch und insbesondere von einem Versorgungsgedanken geprägt ist. Ein Eltern-Kind- Verhältnis ist aber durchaus bejaht worden in einem Fall, in dem ein Onkel seiner Nichte seit jungen Jahren in seinen Betrieb eingeführt hatte und sich nun wünschte, ihn ihr steuergünstig übertragen zu können. Das gemeinsame Interesse und der Wunsch, der Familie diese Einkommensbasis zu erhalten, wurde vom Gericht als ausreichend für ein Eltern-Kind Verhältnis angesehen. Dass die Beteiligten als Nebenzweck auch die Ersparnis von Erbschaftssteuer verfolgen, ist für die Bejahung der sittlichen Rechtfertigung für den Familienrichter unerheblich, solange der familienbezogene Zweck überwiegt.

In der Rechtsprechung umstritten ist, ob die Volljährigenadoption zulässig ist, wenn das Verhältnis des Kindes zu seinen eigenen Eltern noch intakt ist. In den nördlichen Oberlandesgerichten wird dies verneint, in der Mitte und im Süden Deutschlands ist ein gutes Verhältnis zu den eigenen Eltern für die Adoption unschädlich.

In formaler Hinsicht hat man es im Übrigen bei der Volljährigenadoption etwas leichter als bei der Adoption minderjähriger Personen. So benötigen Sie keine Bescheinigung der Adoptionsvermittlungsstelle. Eine notarielle Protokollierung des Adoptionsantrags ist aber auch bei der Vollljährigenadoption erforderlich, auch hier muss man eine ärztliche Bescheinigung und ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, um Transparenz über gesundheitliche und ggf. strafrechtliche "Altlasten" des jeweils anderen zu schaffen. Über die den Antrag entscheidet dann das Familiengericht nach Anhörung der Annehmenden und der Anzunehmenden und der weiteren zu beteiligenden Personen.

Verheiratete können ein Kind nur gemeinsam annehmen. Bei einer Adoption sind auch die Interessen eventueller Kinder des Annehmenden zu berücksichtigen, deren Erbteile bzw. Pflichtteilsansprüche sich durch die Adoption reduzieren. Auch Ehepartner bzw. Ehepartnerin der anzunehmenden Person oder deren Kinder sind im Verfahren zu hören. Durch die Volljährigenadoption entsteht ein Verwandtschaftverhältnis zu den neuen Eltern und damit auch eine unterhaltsrechtliche Verantwortung, insbesondere im Pflegefall. Der Ehepartner muss ein einbezogen werden, weil sich durch die Adoption der Geburtsname des Angenommenen ändert. Ist dieser zugleich der Ehename, muss der Ehepartner der Namensänderung zustimmen.

Zu beachten ist, dass die Finanzämter nicht an die Würdigung des Familiengerichts gebunden sind, wenn es hier einen Gestaltungsmissbrauch zur Steuerersparnis wittert. Dann muss notfalls vor den zuständigen Finanzgerichten geklärt werden, ob die Adoption aus rein steuerlichen Gründen erfolgte oder ob es hierfür auch "sittlich gerechtfertigte" außersteuerliche Gründe gab.



Bickenbach, den 19.07.2022

Mitgeteilt von
RA Martin Wahlers
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.