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Urlaubsrecht in Zeiten des Corona-Virus- eine arbeitsrechtliche Perspektive -

Die Ferienzeit und die damit einhergehende Urlaubszeit ist im vollen Gange. Für viele Reisenden stellt sich die Frage, wo sie noch unbeschadet hin vereisen können und wie sich anreisen sollen. Doch für die Arbeitgeber sind in der derzeitigen Situation ganz andere rechtliche Fragen relevant.


Muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seinen Urlaubsort mitteilen?

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber keinen Anspruch gegen die Arbeitnehmer auf Auskunft über den Urlaubsort. Da den Arbeitgeber allerdings die Schutzpflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern gem. § 618 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) trifft, darf er fragen, ob sich der Arbeitnehmer bei seinem Urlaub in einem Gebiet aufhält, für das das Auswärtige Amt eine offizielle Reisewarnung wegen der Infektionsgefahr herausgegeben hat oder welches das Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuft hat. Diese Informationen können dann besonders relevant werden, wenn es um die Frage geht, ob der Arbeitnehmer ein mögliches Verschulden an seiner zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung hat.


Dürfen Arbeitgeber dem Arbeitnehmer verbieten in bestimmte Urlaubsgebiete zu reisen?

Ein solches Recht könnte sich zwar aus der Pflicht des Arbeitnehmers ergeben, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Dieser könnte aufgrund seiner Schutzpflicht gegenüber der gesamten Belegschaft ein gesteigertes Interesse an der Vermeidung eines erhöhten Infektionsrisikos haben.

Ein solches Recht würde allerdings erheblich in die Persönlichkeitsrechte des Abreitnehmers eingreifen und ist demnach nicht angemessen.


Hat der Arbeitnehmer ein Recht auf Entgeltfortzahlung, wenn er sich mit dem Corona-Virus infiziert?

Ist der Arbeitnehmer mit dem Corona-Virus erkrankt, hat er gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen.

Wird der Arbeitnehmer aufgrund des § 31 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein berufliches Tätigkeitsverbot angeordnet, konkurriert der Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers infolge der Tätigkeitsverbots nach § 56 Abs.1 IfSG.

Dasselbe gilt für die Fälle, in denen lediglich ein Verdacht der Ansteckung besteht oder eine Quarantäne verhängt wurde und ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde.

Dabei tritt der Arbeitgeber in Vorleistung und bekommt anschließend die ausgezahlten Beträge von der zuständigen Behörde zurückerstattet. Die Erstattung erfolgt allerdings nur auf Antrag des Arbeitgebers.

Etwas anders gilt allerdings dann, wenn der Arbeitnehmer in Länder gereist ist, für die das Auswärtige Amt eine Reisewarnung erlassen hat oder die vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuft wurden.
Sollte der Arbeitnehmer aufgrund seiner Urlaubsreise in eines der Länder erkrankt sein, trifft ihn ein Verschulden an seiner zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung und ihm steht dementsprechend kein Entgeltfortzahlungsanspruch zu.


Kann der Arbeitgeber einen verpflichtenden Test von dem Arbeitnehmer verlangen, bevor er nach einer Urlaubsreise in das Unternehmen kommt?

Aufgrund der den Arbeitgeber treffenden Fürsorgepflicht, muss dieser die nötigen Schutzmaßnahmen für die Arbeitnehmer nicht nur im eigenen Interesse einer möglichst langen Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes ergreifen. Der Schutz beginnt mit einer umfassenden Aufklärung über die Ansteckungsgefahr und die richtigen hygienischen Verhaltensweisen.

Eine Verpflichtung zu Corona-Tests wäre im Zuge eines umfassenden Pandemiekonzepts des Arbeitgebers, denkbar. Diesbezüglich existiert bislang allerdings keine gesetzliche Grundlage. Solche Vereinbarungen könnten entweder individuell mit den Arbeitnehmern oder kollektivrechtlich getroffen werden.

Solche verpflichtenden Tests erfordern allerdings immer ein gewichtiges Arbeitgeberinteresse, da diese immer in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer eingreifen. Dies kann sich aber bereits aus der Fürsorgepflicht ergeben.

Mittlerweile hat die Bundesregierung Deutschland angekündigt einen verpflichtenden Corona-Test für Reiserückkehrer aus Risikogebieten einzuführen. Für diese Regelung soll innerhalb des Infektionsschutzgesetzes eine entsprechende Regelung geschaffen werden.


Kann der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bereits genehmigten Urlaubsantrag zurücknehmen, wenn eine geplante Urlaubsreise nicht angetreten wird?

Ein einmal vom Arbeitgeber genehmigter Urlaub kann vom Arbeitnehmer nicht mehr einseitig zurückgenommen werden. Dieser Grundsatz ändert sich auch nicht, wenn die geplante Reise, aufgrund eines Reise- oder Einreiseverbots- nicht angetreten werden kann.

Der Zweck des Urlaubs ist, nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), die bezahlte Erholung des Arbeitnehmers. Dabei kann eine Erholung auf "Balkonien" genauso möglich sein, wie am Strand in Spanien oder Kroatien. Der Arbeitnehmer kann sich insoweit auch nicht auf die Störung der Geschäftsgrundlage, nach § 313 BGB, berufen.


Müssen Arbeitnehmer Urlaub nehmen, wenn die Kinderbetreuung Ihrer Kinder durch geschlossene Kindergärten und Schulen nicht sichergestellt ist?

Die Einreichung von Urlaub ist dann nicht erforderlich, wenn sich ein Elternteil auf § 275 Abs.3 BGB berufen kann. Demnach kann ein Schuldner die Leistung verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

Dabei ist die notwendige Betreuung eines betreuungsbedürftigen Kindes grundsätzlich als Grund anerkannt, die geschuldete Arbeitsleistung zu verweigern (Fischinger, Arbeitsrecht , 2018, Rn.618). Voraussetzung dabei ist, dass das Kind betreuungsbedürftig ist und eine Betreuung durch den Arbeitnehmer notwendig ist.

Als Betreuungsbedürftig gelten gem. § 56 Abs.1a Nr.2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sowie - unabhängig vom Alter- auf Hilfe angewiesene Kinder.

Die Notwendigkeit einer Betreuung liegt nur dann vor, wenn keine andere Betreuungsperson (z.B. ein nicht erwerbstätiger Lebenspartner oder ein Verwandter) die Betreuung übernehmen kann.

Sofern diese Voraussetzungen nicht vorliegen, kann der betreuende Arbeitnehmer nur zu Hause bleiben, wenn er Urlaub nimmt und dieser vom Arbeitgeber genehmigt wird.


Ist der Urlaubsanspruch auf das kommende Jahr übertragbar?

Grundsätzlich ist eine Übertragung des Urlaubsanspruchs auf das Folgejahr nach § 7 Abs.3 Satz 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nur möglich, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.

Betriebliche Gründe liegen z.B. dann vor, wenn die Auftragslage eine Anwesenheit des Arbeitnehmers bis zum Jahresende erfordert (ErfK/Gallner, 20- Aufl. 2020, § 7 BUrlG, Rn. 61). Sollte in einem Betrieb dementsprechend aufgrund des Corona-Virus im gesamten Jahr 2020 so viel Arbeit anfallen, dass die Anwesenheit bis Jahresende notwendig ist, ist eine Urlaubsgewährung aufgrund von Corona nicht möglich und es kann zu einer Übertragung des Urlaubsanspruchs auf das Folgejahr kommen.

Arbeitgeber sollten dabei die kürzlich vom EuGH und BAG gefestigte Mitwirkungsobliegenheiten beachten, nach der die Arbeitgeber die Arbeitnehmer dazu aufzufordern haben, Urlaub zu nehmen und sie darüber informieren müssen, dass der Urlaubsanspruch andernfalls mit Ende des Kalenderjahres (bzw. zum 31.03.2021) erlischt.

Unterlässt der Arbeitgeber diese Aufforderung und Information, erlischt der Urlaubsanspruch nicht zum Ende des Kalenderjahres, sondern wir in das Folgejahr übertragen (vgl. EuGH, Urt. v. 06.11.2018, Az.: C 619/16, BeckRS 2018, 27418; BAG, Urt. v. 19.02.2019, Az.: 9 AZR 541/15, juris Rn. 26, 41).


Kann der Arbeitgeber aufgrund von Auftragsmangel einseitig Urlaub anordnen?

Grundsätzlich wird der gesetzliche Mindesturlaub gemäß § 7 Abs.1,2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) vom Arbeitgeber gewährt. Eines vorherigen Urlaubsantrags des Arbeitnehmers bedarf es grundsätzlich nicht.

Bei einer Urlaubsfreistellung muss der Arbeitgeber allerdings die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers berücksichtigen. Sollte der Arbeitnehmer mit der Urlaubsfreistellung nicht einverstanden sein, hat er ein unverzügliches "Annahmeverweigerungsrecht", in dem eine konkrete andere zeitliche Festlegung des Urlaubs einfordert (BAG NZA 2007, 26, juris Rn. 19).

Gemäß § 7 Abs.1 BUrlG, nach bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, zu berücksichtigen sind, kann der Arbeitgeber nur den Wunsch des Arbeitnehmers zurückweisen, ihm allerdings keinen Zeitpunkt "aufzwingen".

Eine zwangsweise Anordnung von Urlaub gegen den Willen des Arbeitnehmers ist nicht möglich.

Besonderheiten zu Kurarbeit und Urlaubsanspruch


Was gilt bei Kurzarbeit Null?

Ein Urlaubsanspruch kann grundsätzlich nur dann erfüllt werden, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Urlaubserteilung der Arbeit fernbleibt. Etwas anderes gilt gerade bei der "Kurzarbeit Null", bei der die Arbeitspflicht vollständig entfällt. Dementsprechend kann während einer verhängten "Kurzarbeit Null" kein Urlaub gewährt und genommen werden (Hensseker/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, Schinz, 9. Aufl. 2020, § 7 BUrlG, Rn.15).


Wie wirkt sich die Kurzarbeit auf den Urlaubanspruch aus?

Sofern die Kurzarbeit nur dazu führt, dass die wöchentliche Arbeitszeit bei gleichbleibender Anzahl der Wochenarbeitstage reduziert wird, hat dies keine Auswirkungen auf den Urlaubanspruch.

Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Arbeitnehmer während der vorordneten Kurzarbeit regelmäßig an weniger Wochenarbeitstagen tätig wird, als noch vor der Corona-Pandemie. In diesem Fall verringert sich die Zahl der Urlaubstage. Wie bereits weiter oben erwähnt, erwirbt er z.B. während der "Kurzarbeit Null" keine Urlaubsansprüche.

Um die genaue Anzahl des im Laufe des Kalenderjahres erworbenen Urlaubes zu bestimmen, ist eine Betrachtung nach den einzelnen Phasen, vor, nach und während der Kurzarbeit, notwendig. Für jede Phase ist sodann der erworbene Anspruch separat zu berechnen und die Teilwerte anschließend zu addieren (vgl. BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az.: 9 AZR 315/17).

Zur Berechnung der Teilansprüche wird üblicherweise, die von der Rechtsprechung vertretene Formel verwendet:

x=(24 Werktage x Anzahl Wochenarbeitstage im Zeitabschnitt x Wochenzahl des Zeitabschnitts) / 312 Werktage


Dürfen Arbeitgeber die Arbeitnehmer zu Dienstreisen verpflichten?

Bei Dienstreisen hat der Arbeitnehmer grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 Abs.3 BGB, wenn ihm die Erbringung der Arbeitsleistung unter Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers unzumutbar ist.

Dementsprechend gilt, dass sofern der Arbeitgeber eine Dienstreise in ein Gebiet anordnet, für das eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes besteht oder das als Risikogebiet durch das RKI eingestuft wurde, diesem ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht und dieser sich nicht einer erhöhten Infektionsgefahr aussetzen muss. Dabei sind alle Aspekte der Reise, wie die Anfahrt, Durchführung und Unterkunft zu beachten.

Entsprechendes müsste auch für Arbeitnehmer gelten, die einer Risikogruppe angehören und besonders gefährdet sind.



Bickenbach, den 04.08.2020

Mitgeteilt von
Rechtsanwältin
Dingeldein • Rechtsanwälte

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