Hat der Erblasser einen nahen Angehörigen im Wege des Testaments von der Erbfolge ausgeschlossen, steht ihm dennoch ein Teil des Nachlasses von Gesetzes wegen zu. Als Pflichtteilsberechtigte kommen ausschließlich (Enkel-) Kinder, Ehegatten sowie die Eltern des Erblassers in Betracht. Dann hat man trotz Enterbung durch den Erblasser immer noch einen Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Seinen Pflichtteil muss man ausdrücklich gegenüber dem Erben geltend machen, und zwar innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis vom Todesfall sowie der Enterbung.
Hat beispielsweise ein zuvor geschiedener Erblasser zwei Kinder (gesetzlicher Erbanteil 1/2 pro Kind), wovon er eins testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen hat, beträgt der Pflichtteil desjenigen enterbten Kindes und somit Pflichtteilsberechtigten 1/4 (1/2 x 1/2). Lebte beispielsweise ein Erblasser verheiratet im Güterstand der Zugewinngemeinschaft und gehen aus dieser Ehe zwei von der Erbfolge ausgeschlossene Kinder hervor, so beträgt der Pflichtteilsanspruch der Kinder 1/8 (1/4 x 1/2). Ist jedoch der Ehepartner des Erblassers testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen, steht ihm ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/4 (1/2 x 1/2) zu.
Damit der Pflichtteilsberechtigte auch zu seinem vollen Anteil gelangen kann, stehen ihm verschiedene Rechte zu:
Um den Pflichtteilsanspruch aus dem Nachlassvermögen überhaupt genau bestimmen zu können, ist es nötig, dass der Pflichtteilsberechtigte von dem Nachlassvolumen in seiner Gesamtheit erfährt. Hierfür räumt ihm das Gesetz in § 2314 BGB ein Auskunftsrecht gegenüber den Erben ein. Der Auskunftsanspruch umfasst die geordnete Zusammenstellung aller Aktiva und Passiva zum Zeitpunkt des Erbfalls. Zu den Aktiva gehören Zu den Passiva gehören Erblasser- und Erbfallschulden.
Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers in Form eines Nachlassverzeichnisses als Bestandverzeichnis nach § 260 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte hat hierbei ein Anspruch aus § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB auf Hinzuziehung bei Erstellung des Nachlassverzeichnisses. Dies bedeutet jedoch nur, dass der Pflichtteilsberechtigte bei z.B. der Schätzung einer Immobilie vor Ort persönlich anwesend sein darf, aber kein persönliches Mitwirkungsrecht bei der Erstellung des Verzeichnisses hat. Auch hat er durch seinen Anspruch auf Hinzuziehung kein Recht auf Einsichtnahme in Belege.
In die Aktiva eines Nachlassverzeichnis gehören konkret:
In die Passiva eines Nachlassverzeichnisses gehören konkret:
Nicht im Nachlassverzeichnis anzusetzen sind:
Gerade für den Fall, dass der Erbe mangels Erbscheins zunächst noch nicht an konkrete Informationen herankommt, der Pflichtteilsberechtigte aber schon Auskunft verlangt, wird üblicherweise eine sogenannte vorläufige Pflichtteilsbezifferung vorgenommen, um mögliche Zinsansprüche zu vermeiden. Denn der Pflichtteilsanspruch entsteht unmittelbar mit dem Erbfall. Der Erbe sollte daher seine Bemühungen zur Bezifferung verdeutlichen, um sich möglichst wenig angreifbar zu machen.
Behauptet der Pflichtteilsberechtigte, dass bestimmte Gegenstände in der Auflistung fehlen, muss der Erbe begründet darlegen, dass diese nicht vorhanden sind. Ein einfaches Verneinen reicht hierbei nicht. Die Auskunftspflicht findet ihre Grenzen jedoch in der Ausforschung. Hat der Erbe bereits glaubhaft dargelegt, dass sich trotz der Behauptung des Pflichtteilsberechtigten bestimmte Gegenstände nicht im Nachlassvermögen befinden, würden weitergehende Aufforderungen über Nachweise einer Ausforschung gleich kommen.
Des Weiteren kann der Pflichtteilsberechtigte Auskünfte über Zuwendungen der letzten 10 Jahre des Erblassers verlangen, um ggf. Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend zu machen. Hierunter fallen:
Führt ein Erbe trotz der geltend gemachten Auskunftspflicht jedoch nicht den gesamten Nachlass auf, so steht dem Pflichtteilsberechtigter gegenüber dem Erben ein Anspruch auf Schadensersatz zu.
Der Pflichtteilsberechtigte hat ebenso einen Anspruch auf die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses gem. § 2314 Abs. 1 S.3 BGB. Selbst wenn bereits ein privates Nachlassverzeichnis erstellt wurde, kann der Pflichtteilsberechtigte ein amtliches, also ein notarielles Nachlassverzeichnis fordern. Ein solches Verlangen findet seine Begründung in der höheren Gewähr der Richtigkeit und Vollständigkeit. Ein Anspruch auf Hinzuziehung gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB gilt hier ebenfalls.
Der Pflichtteilsberechtigte kann vom Erben jedoch nur verlangen, dass ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellt wird, es aber nicht selbst beauftragen. Er ist daher nicht Auftraggeber und kann den Notar nicht um die Erforschung unklarer Sachverhalte bitten. Er muss sich stets an den Erben halten. Dieser wiederum trägt die Verantwortung über die Vollständigkeit des notariellen Nachlassverzeichnisses.
Die Kosten für ein notarielles Nachlassverzeichnis werden aus dem Nachlass des Erblassers getragen, wodurch wiederum der Pflichtteilsanspruch geschmälert wird.
Bei Verweigerung der Mitwirkung der Erben erfolgt die gerichtliche Durchsetzung des Pflichtteils durch eine Stufenklage. Hierbei wird auf der ersten "Stufe" zwecks Bezifferung auf Auskunft des Nachlassvermögens geklagt und auf der nächsten "Stufe" auf Zahlung des aus dem Nachlassvermögen ermittelten Pflichtteils.
Mitgeteilt von
Felix Hartmann, Rechtsreferendar
Dingeldein • Rechtsanwälte
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