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Wie man Angehörige enterbt

Die Änderung familiärer Verhältnisse kann dazu führen, dass sich diese auch testamentarisch niederschlagen sollen. Wenn der zu Enterbende mitwirkt, kann dieser eine Erbverzichtserklärung und vollumfänglich auch eine Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsverzichtserklärung abgeben. Vorsicht: Diese Erklärungen bedürfen zwingend der notariellen Form. Die einseitige Enterbung von nahen Verwandten ist indes nicht immer so einfach.


Testamentarische Gestaltung der Enterbung

Es muss nicht ausdrücklich im Testament stehen, dass eine bestimmte Person enterbt werden soll. Werden andere Erben eingesetzt, bedeutet das im Umkehrschluss, dass diejenigen, die keine Erwähnung finden, auch nichts bekommen sollen.

Merke: Bei nicht ausdrücklicher Erwähnung muss die Erbfolge vollumfänglich geregelt werden unter Berücksichtigung einer eventuellen Allein- und Schluss- sowie Ersatzerbeinsetzung. Andernfalls greift in nicht berücksichtigten und damit ungeregelten Fällen doch wieder die gesetzliche Erbfolge.


Enterbung nächster Angehöriger

Die Enterbung nächster Angehöriger kann Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Enterbt man Kinder, Eltern oder Ehepartner, können diese binnen drei Jahren ihren Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungen verlangen.

Während jederzeit von der gesetzlichen Erbfolge abgewichen werden kann, können Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht testamentarisch ausgeschlossen werden.


Erbe versus Pflichtteil

Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbes. Das bedeutet beispielsweise, dass ein enterbtes Kind in einer vierköpfigen Familie einen Pflichtteil in Höhe von 1/8 des Nachlasses geltend machen kann.

Wichtig: Der Pflichtteil wird immer in Geld ausgezahlt, nie wird derjenige, der seinen Pflichtteil geltend macht, Miteigentümer einer sich im Nachlass befindlichen Immobilie. Ebenfalls wichtig: Auch wenn der Erbe nicht nur Rechte hat, sondern ebenso Pflichten wahrnehmen muss, hat er die stärkere Stellung, indem er das Erbe verwalten kann.


Pflichtteilsergänzungsansprüche

Pflichtteilsergänzungsansprüche resultieren aus lebzeitigen Schenkungen zugunsten von Erben oder Dritten. Hintergrund ist, dass ein Nachlass nicht gezielt geschmälert werden soll, um so etwaige Pflichtteilsansprüche zu umgehen. Üblicherweise läuft hierfür die 10-Jahres-Frist, währenddessen jedes Jahr abgeschmolzen wird. Ausgenommen sind hiervon lebzeitige Schenkungen mit Nießbrauch- oder auch Wohnrechtsbelastungen.

Beispiel: Bekam ein Erbe oder ein Dritter im Jahr 2017 ein Haus vom Erblasser geschenkt, der dann 2022 verstorben ist, hat der Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten in Höhe von 1/2 des Wertes.


Fristen

Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche müssen innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis vom Todesfall geltend gemacht werden, ansonsten unterliegen sie der Verjährung. Achtung: Während die Pflichtteilsfrist der Regelverjährung zum Jahresende unterliegt, verjährt die Pflichtteilsergänzungsfrist taggenau.

Üblicherweise wird zunächst vom Erben Auskunft in Form eines (notariellen) Nachlassverzeichnisses verlangt, damit die Höhe der Ansprüche beziffert werden kann. Im nächsten Schritt wird dann die Auszahlung nebst Zinsen seit Beanspruchung verlangt.

In manchen Fällen lohnt es sich - insbesondere als Ehegatte - den sog. großen Pflichtteil geltend zu machen und auf sein Erbe zu verzichten. Für die Erbausschlagung läuft eine Frist von sechs Wochen ab Kenntnis vom Todesfall. Die Erbausschlagungserklärung bedarf der notariellen Form oder hier in Hessen jedenfalls der beglaubigten Unterschrift.



Bickenbach, den 25.10.2022

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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