ARTIKEL

Vermächtnis und Vorausvermächtnis

Im Rahmen der Nachlassregelung hat man neben der Erbeinsetzung noch zwei weitere Instrumente zur Hand, um Personen - natürlichen wie juristischen - Teile des Nachlasses zukommen zu lassen. Die Rede ist hierbei vom Vermächtnis und vom Vorausvermächtnis. Was macht diese beiden Rechtsinstitute aus? Worin liegen die Unterschiede? Gibt es Auswirkungen auf den Pflichtteil?


Das Vermächtnis

Das Vermächtnis ist gemäß § 1939 BGB ein Rechtsinstitut, mit dem der Erblasser durch Testament einem anderen einen Vermögensvorteil zuwenden kann, ohne ihn als Erben einzusetzen. In Betracht kommen dabei jegliche Vermögenswerte wie bestimmte Sachen, Geldbeträge oder auch Rechte, wie z. B. ein Wohn- oder ein Nießbrauchrecht. Der mit einem Vermächtnis Bedachte erwirbt diesen Vermögensvorteil jedoch nicht dinglich ipso iure. Ihm fällt lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den oder die Erben auf Verschaffung dieses Vermögenswertes zu.


Das Vorausvermächtnis

Das Vorausvermächtnis stellt gemäß § 2150 BGB ein Vermächtnis dar, das einem Erben zugewendet wird. Es steht dabei außerhalb der Nachlassregelung und geht dem Vorausvermächtnisempfänger ohne Anrechnung auf dessen Erbteil zu. Auch hier sind jegliche Vermögenswerte denkbar. Ebenso entsteht lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Erfüllung des Vorausvermächtnisses.


Die Unterschiede

Ein wichtiger Unterschied ist zum einen also, dass man ein Vermächtnis einer beliebigen Person außerhalb der Erbfolge zukommen lassen kann. Ein Vorausvermächtnis wiederum kann nur Erben zuteilwerden. Aus der Natur der Sache ergibt sich, dass ein Vorausvermächtnis jedoch nur erfolgen kann, wenn es mehr als einen Erben gibt. Einem Alleinerben ein Vorausvermächtnis zukommen zu lassen, würde diesem einen schuldrechtlichen Anspruch gegen sich selbst verschaffen, was im Übrigen auch steuerlich keinen Vorteil verschaffen würde. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass ein Vorausvermächtnis der Erbauseinandersetzung vorgelagert ist und ohne Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgt. Ein "normales" Vermächtnis dagegen wird im Rahmen der Erbauseinandersetzung erfüllt und, wenn es einem Erben zuteilwird, auf dessen Erbteil angerechnet.


Auswirkungen auf den Pflichtteil?

Der ein oder andere Erblasser entscheidet sich im Rahmen seiner Nachlassregelung, sei es durch Testament oder Erbvertrag, gesetzliche Erben von der Erbfolge auszuschließen. Dabei entstehen für diese "Enterbten" Pflichtteilsansprüche gegenüber den Erben. Daher kommt im Rahmen der erbrechtlichen Beratung oftmals die Frage auf, wie der Pflichtteil reduziert werden kann. Stellen (Voraus-)Vermächtnisse ein probates Mittel zur Begrenzung der Pflichtteilsansprüche dar?


Kein Entzug des Pflichtteils

Die knappe Antwort vorweg: Nein. Das liegt an der herausgehobenen Stellung des Pflichtteilsrechts in Deutschland. Die Teilhabe am Nachlass wird für gesetzliche Erben grundrechtlich geschützt und ist grundsätzlich nicht entziehbar. In Betracht kommen insofern gemäß § 2333 BGB nur besonders schwere Verfehlungen der gesetzlichen Erben, die in den wenigsten Fällen vorliegen dürften.

Die Auskehrung von Vorausvermächtnissen wird, wie bereits dargelegt, zwar der Erbauseinandersetzung vorgeschaltet. Jedoch geht auch dieser wiederum die Erfüllung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen vor. Mit anderen Worten können die schuldrechtlichen Ansprüche auf (Voraus-)Vermächtnisse erst erfüllt werden, wenn die Pflichtteilansprüche befriedigt wurden. Bleibt zur Erfüllung dieser Ansprüche danach nichts mehr oder weniger übrig als vom Erblasser geplant, heißt es leider "Pech gehabt".


Pflichtteil und Vermächtnis für ein- und denselben

Anders sieht es natürlich aus, wenn einem Pflichtteilsberechtigten ein Vermächtnis zukommen soll. Dieses muss er sich selbstverständlich auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen, sofern er es nicht ausschlägt. Wird allerdings einem Pflichtteilsberechtigten, der gleichzeitig Erbe ist (Das wäre der Fall, wenn die gewillkürte Erbquote unter der Hälfte der gesetzlichen Erbquote liegt.), ein Vorausvermächtnis zuteil, muss er sich dieses nicht auf seinen Erbteil anrechnen lassen.



Bickenbach, den 27.02.2024

Mitgeteilt von
WissMit Sven Bickel
Dingeldein • Rechtsanwälte

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.