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"Unwiderrufliche" Freistellung bei Kurzarbeit

Das Thema Kurzarbeit spielt seit Corona aufgrund der verbundenen geringen Arbeitslast in vielen Betrieben eine große Rolle. Obgleich mittlerweile viele Fragen zum Thema Kurzarbeit auch vielen Arbeitnehmern geläufig sind, so bleibt bei vielen die Frage bestehen, ob auch eine unwiderrufliche Freistellung im Rahmen der Kurzarbeit möglich ist und welche Konsequenzen sich ggf. ergeben.


I. Begriff der Freistellung

Die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung meint die einseitige Anordnung des Arbeitgebers oder auch die einvernehmliche Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer von dessen Arbeitspflicht zeitweise oder dauerhaft zu befreien.

Eine Freistellung durch den Arbeitgeber kommt dabei nur dann in Betracht, wenn sich eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag findet. Die Parteien können aber nachträglich, jedoch vor Ausspruch der Freistellung, eine solche Regelung vereinbaren.

Wird die Freistellung zeitweise bzw. widerruflich ausgesprochen, bleibt die Möglichkeit des Arbeitgebers bestehen, den Arbeitnehmer jederzeit zurück an den Arbeitsplatz zu bestellen und damit die Freistellung aufzuheben.

Bei einer dauerhaften bzw. unwiderruflichen Freistellung dürfen die Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der Arbeit fernbleiben, während der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer zur Ableistung der Arbeitszeit einzubestellen.


II. Kündigung als Standardfall der Freistellung

Eine Rolle spielt die Freistellung vor allem nach Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Hierbei stellen viele Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung frei.

Grundsätzlich besteht jedoch ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, sodass die Freistellung hier als Sondermodell genutzt wird.


III. Abweichende Regelungen bei Kurzarbeit?

Haben die Arbeitgeber nun Kurzarbeit für ihre Arbeitnehmer angeordnet, stellt sich die Frage, ob sich hieraus auch in Bezug auf die Freistellung Sonderbedingungen ergeben.

Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten, dass auch bei Kurzarbeit ein Recht auf Freistellung des Arbeitnehmers besteht, sofern ein solches auch unabhängig von der Kurzarbeit bestanden hätte.

Wird der Arbeitnehmer, bei Kurzarbeit freigestellt ist zunächst zu unterscheiden: Begehrt der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Freistellung an einem Tag geltend zu machen, an dem er aufgrund der Kurzarbeitsregelung gearbeitet hätte, hat er einen Anspruch gegen den Arbeitgeber, entsprechend den geltenden Bedingungen der Freistellung bezahlt zu werden. Beantragt der Arbeitnehmer die Freistellung an einem Tag, an dem er aufgrund der Kurzarbeit der Arbeit ferngeblieben wäre, so hat er einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.


IV. Kurzarbeitergeld auch bei Freistellung nach Kündigung?

Dies gilt jedoch nicht im zuvor als Standardfall dargestellten Fall einer Freistellung nach Erhalt einer Kündigung des Arbeitnehmers. Dem Kurzarbeitergeld liegt die Voraussetzung zugrunde, dass das Arbeitsverhältnis weder gekündigt noch durch Aufhebungsvertrag aufgelöst wurde.

Dabei wird im Schutzinteresse der Arbeitnehmer von einem ungekündigten Arbeitsverhältnis ausgegangen, auch wenn eine Kündigung erklärt wurde und der Arbeitnehmer dagegen Kündigungsschutzklage erhob, sowie mit Wissen und Willen des Arbeitgebers weiterbeschäftigt wurde.

Bei einer Freistellung hingegen ist von einer faktischen Arbeitslosigkeit auszugehen. Ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht folglich nicht. Es kann jedoch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen.

Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich für die Leistung von Kurzarbeitergeld entscheidend ist, ob eine faktische Arbeitslosigkeit oder Beschäftigung gegeben ist.


V. Fazit

Die Freistellung ist widerruflich und unwiderruflich möglich. Damit verbunden ist die Möglichkeit, einen Arbeitnehmer durch Rücknahme der Freistellung zurück an den Arbeitsplatz einzuberufen. Meist wird die Freistellung durch die Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung genutzt, sofern eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien vorhanden ist. Liegt Kurzarbeit vor, besteht grundsätzlich ebenfalls ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Freistellung, sofern auch bei Nichtvorliegen von Kurzarbeit der Anspruch gegeben wäre. Die Bezahlung richtet sich danach, ob der Arbeitnehmer an einem arbeitsfreien Tag (dann Kurzarbeitergeld) oder Arbeitstag (dann Entgelt) die Freistellung beanspruchen möchte. Wird ein Arbeitnehmer, der sich in Kurzarbeit befindet, durch den Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung freigestellt, besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Es kann jedoch ggf. ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen. Entscheidend ist hier eine faktische Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers.



Bickenbach, den 21.07.2023

Mitgeteilt von
WissMit Sabrina Jung
Dingeldein • Rechtsanwälte

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